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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der ungerührt seinen Geschäften nachzugehen schien. Doch als sie genauer hinsah, begriff sie, dass er krampfhaft versuchte, den Schmerz um den verlorenen Sohn in sich zu verschließen.
    »Ihr solltet essen, Herr Vater, solange der Brei noch warm ist«, bat sie ihn, da er auch früher schon über seinen Zahlen das Frühstück vergessen hatte.
    Nun blickte Leibert auf. »Ach richtig, du bist ja wieder da! Dann kannst du mir helfen, ein paar Briefe zu schreiben. Meine Finger wollen nicht mehr so, wie sie sollten.« Er schob Veva mehrere Papierbogen hin und zeigte auf das Tintenfass und den Löschsand.
    »Ich esse inzwischen, damit du Ruhe gibst!« Auf seinen Wink stellte Veva das Tablett auf dem Schreibtisch ab. Umständlich legte ihr Vater ein Lederband zwischen die Seiten des Rechnungsbuchs und klappte es zu. Während er einen Schluck Bier trank, stellte Veva sich an das Schreibpult, legte das erste Blatt vor sich hin und nahm die Feder zur Hand.
    »Der Brief geht an Ferdinand Antscheller. Ich will ihm schreiben, was geschehen ist, und ihm von Bartls Tod berichten.« Leibert diktierte Veva einen Text, der in ihren Ohren so kalt und unpersönlich klang, als handle es sich um ein gewöhnliches Geschäft.
    Als er ihr befahl, zu schreiben, sie sei in der Gewalt der Räuber missbraucht worden, schüttelte sie heftig den Kopf. »So war es nicht, Herr Vater. Die Räuber haben mir nichts dergleichen getan!«
    Leibert sah sie strafend an, als wäre sie ein kleines, aufmüpfiges Kind. »Schreib, was ich dir befohlen habe! Die Leute werden so oder so darüber reden, und ich will nicht, dass Antscheller denkt, ich wolle deinen Zustand schönreden.«
    »Gilt das Gerede der Menschen denn mehr als die Wahrheit?«, brach es aus Veva heraus.
    »Dieses Gerede kann einem das Leben vergällen und manchmal sogar an den Galgen oder auf den Richtblock bringen. Daher ist es besser, sich nicht gegen die Meinung der Leute zu stellen. Also schreib!« Der Befehl klang so scharf, dass Veva keinen Widerspruch mehr wagte. Sie setzte die Zeilen so, wie ihr Vater es von ihr verlangte, und wartete auf das, was er ihr noch diktierte.
    Es dauerte ein wenig, denn Leibert aß erst ein paar Löffel des mit fein geschnittenem Hühnerfleisch versetzten Breis und nützte die Pause zum Nachdenken. Als ihm die richtige Formulierung eingefallen war, legte er den Löffel beiseite.
    »Schreib weiter: Da mir der Sohn durch die himmlische Vorsehung entrissen worden ist, kann unsere Vereinbarung über die Heirat Friedrichs mit meiner Genoveva so nicht bestehen bleiben. Ich brauche einen Schwiegersohn, der zu mir nach München kommt und mich in meinen Geschäften unterstützt.
    Lass mich wissen, mein Freund, ob du dazu bereit bist, deinen Friedrich zu mir zu schicken. So du das tust, wird er meinen Besitz erben und diesen getreulich an seine und Genovevas Kinder, meine Enkel, weitergeben. Es grüßt dich dein Freund Bartholomäus Leibert!«
    Vevas Vater atmete tief durch, als hätte es ihn alle seine Kraft gekostet, den Brief zu diktieren. Während sie die letzten Worte zu Papier brachte und danach feinen Sand auf das Geschriebene streute, winkte er ärgerlich ab. »Natürlich wird Antscheller seinen Sohn nicht wegschicken, denn er hat nur diesen einen. Daher wird er mit höflichen Worten abschreiben. Aber es gehört sich, es ihm anzubieten.«
    »Ja, Herr Vater«, sagte Veva, weil sie spürte, dass er einer Antwort harrte.
    »Du wirst jetzt noch einige andere Briefe für mich schreiben, denn das Geschäft muss weitergehen. Ich kann immer noch durch dich Enkel bekommen. Aber der Herrgott möge verhüten, dass es ein Bankert des Schurken wird, der meinen Bartl auf dem Gewissen hat!«
    »Die Räuber haben mich nicht geschändet, Herr Vater! Das schwöre ich bei meiner Seligkeit.« Doch auch als Veva zu dem Kruzifix an der Wand trat, es berührte und ihre Worte wiederholte, schenkte der Vater ihr keinen Glauben. Er fuhr ihr über den Mund, befahl ihr barsch, sich wieder ans Schreibpult zu stellen, und diktierte den nächsten Brief. Nach einigen weiteren Geschäftsbriefen musste sie noch das Rechnungsbuch nachtragen, und während der gesamten Zeit fiel kein privates Wort zwischen ihnen.
    Während sie schrieb, musterte Leibert seine Tochter. Veva war ausnehmend hübsch und für eine Frau sogar recht anstellig. Doch niemals konnte sie ihm den Sohn ersetzen. Er versuchte, den Schmerz um Bartl zu verdrängen, doch er fühlte, wie dieser Verlust in seinem Herzen brannte. Die

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