Die Ketzerbraut. Roman
Glut breitete sich in seiner Brust aus, so dass er kaum noch Luft bekam. Er wusste schon geraume Zeit, dass er nicht mehr gesund war. Deshalb hatte er sein Haus bestellen wollen, solange ihm dafür noch Zeit blieb. Der neue Schicksalsschlag aber nagte an seinem Lebensfaden, und er fühlte seine Jahre doppelt und dreifach. Dabei war er jünger als die meisten seiner Geschäftspartner und gut die Hälfte der Mitglieder des Inneren Rates. Wie so oft hatte der Herrgott auch hier die Gaben ungleich und – wie er fand – auch ungerecht verteilt.
Mit einem energischen Ruck versuchte er, seine düsteren Gedanken zu vertreiben, denn es galt, sich um anderes zu kümmern. Er benötigte dringend einen Eidam, der ihm den eigenen Sohn ersetzte. Außerdem wollte er, wenn Gott ihm die Zeit dafür ließ, noch seinen ersten Enkel sehen.
Doch wer käme in Frage? Die stolzen Patrizierfamilien in seiner Bekanntschaft würden die Zumutung zurückweisen, ein Mädchen als Schwiegertochter zu akzeptieren, das unter einer ganzen Räuberbande gelegen war. Veva traf zwar keine Schuld, aber diese Tatsache würde wie Pech an ihr haften bleiben. Auf Friedrich Antscheller brauchte er nicht zu hoffen. Dessen Vater würde mit höflichen Worten ablehnen, den einzigen Sohn herzugeben, und insgeheim froh sein, auf so leichte Weise aus ihrem Vertrag herauszukommen.
Noch während Leibert überlegte, klopfte es an die Tür. »Herein!«, rief er und schaute diesmal auf.
Es war der Schwab, und hinter ihm tauchte Benedikt Haselegner auf. Dieser schob den Knecht, der ihn ankündigen wollte, kurzerhand beiseite und trat breitbeinig ein.
»Grüß Euch Gott, Leibert! Ich wollte nur vorbeikommen und sehen, wie es der Jungfer Veva geht. Sie ist gewiss froh, wieder daheim zu sein und das Schreckliche, das ihr widerfahren ist, vergessen zu können.«
Leibert empfand, dass der Mann das Wort Jungfer allzu spöttisch betonte. Gleichzeitig wirkte sein Besucher so selbstzufrieden, als sehe er all seine Hoffnungen in Erfüllung gehen. Dass Haselegner nicht nur gekommen war, um sich nach Vevas Zustand zu erkundigen, verriet schon der Blick, mit dem er das Mädchen bedachte. Schon mehr als ein Mal hatte der Kaufmann sich als Ehemann für Veva angeboten. Doch da das Vermögen des Mannes bei weitem nicht an das seine heranreichte, war Haselegners Absicht, mit Hilfe von Vevas Mitgift im Machtgefüge der Stadt höher aufsteigen zu können, arg offensichtlich.
Nun schien er sich erneut als Heiratskandidaten in Erinnerung bringen zu wollen. Einen Augenblick lang erwog Leibert, trotz seiner Bedenken darauf einzugehen, denn es würde schwer werden, einen halbwegs geeigneten Bräutigam für Veva zu finden. Dann aber schüttelte er unbewusst den Kopf. Nein, Haselegner war nicht der Schwiegersohn, den er brauchen konnte. Selbst so befleckt, wie Veva nun war, würde er sie nicht ihm geben. Dem Mann ging es nur um die Mehrung seines Reichtums, und er wählte, wie Leibert aus leidvoller Erfahrung wusste, nicht immer den geraden Weg.
Da Vevas Vater schwieg, wandte Haselegner sich der jungen Frau zu. »Du bist gewiss froh, dass alles vorbei ist. Nicht wahr, Jungfer?«
Diesmal störte sich auch Veva an dem Wort. Obwohl sie sicher war, immer noch Jungfrau zu sein, klang es aus seinem Mund anzüglich. Trotzdem bemühte sie sich, freundlich zu sein, denn immerhin hatte sie dem Mann ihre Rettung zu verdanken. »Ich danke Euch noch einmal recht herzlich fürs Heimbringen, Herr Haselegner.«
»Ich hätte mich geschämt, einem Mann wie deinem Vater diesen Dienst nicht zu erweisen, Jungfer Genoveva.«
»Dieser Dienst wird belohnt werden.« Leiberts Tonfall verriet, dass er Haselegner am liebsten ein paar Münzen in die Hand drücken und ihn fortschicken würde.
Veva schämte sich für die abweisende Haltung ihres Vaters und fragte sich, ob ihm wirklich so wenig an ihr lag, wie er nach außen hin tat. Immerhin hatte er vorhin erklärt, er wünsche sich Enkel von ihr. Auch wenn sie sich über Haselegner geärgert hatte, fragte sie sich nun, ob er nicht doch der richtige Mann für sie wäre. Für ihn sprach, dass er ein Freund ihres Bruders gewesen war. Allerdings hatte Bartl auch andere so genannt, wie zum Beispiel den unsäglichen Ernst Rickinger, mit dem er von Wirtshaus zu Wirtshaus gezogen war. Der Ruf des jungen Rickinger war so schlecht, dass Hochwürden Georg Eisenreich ihn schon häufiger der Kirche verwiesen hatte. Sie schob den Gedanken an Ernst beiseite und fragte
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