Die Ketzerbraut. Roman
Verdammnis strafen. Dabei muss es zu Dingen gekommen sein, die dir so fürchterlich erscheinen, dass du dich scheust, sie zu bekennen. Doch das musst du, wenn du nicht noch mehr Sünde auf dich laden und vielleicht sogar deine ewige Seligkeit verlieren willst. Wie war es, als du unter diesen Räubern gelegen bist? Hast du gebetet und von der himmlischen Jungfrau Hilfe erfleht, oder hattest du sogar sündhafte Gedanken, die schwerer Sühne bedürfen?«
»Es ist doch nichts dergleichen geschehen!«, beharrte Veva.
Der Pater krallte ihr die Finger so in den Oberarm, dass es weh tat, und kam mit dem Kopf so nahe, dass sich ihre Nasen beinahe berührten. »Bekenne, Sünderin!«
Da er abstoßend roch, wandte Veva sich nicht nur vor Scham ab. »Ich habe nichts zu bekennen!«, fuhr sie auf und stieß seine Hand zurück.
»Du bist eine ganz und gar verstockte Sünderin«, schimpfte er. »Jeder weiß, was mit dir geschehen ist, und mir, deinem Beichtvater, willst du es verschweigen. Daher kann ich dich nicht von deinen Sünden freisprechen. Geh und komme erst wieder, wenn du bereut hast und bereit bist, in der Kirche Unserer Allerheiligen zu beichten. Du wirst mich dort heute Abend beim achten Stundenschlag finden.« Damit versetzte er ihr einen leichten Schlag und schob sie aus dem Beichtstuhl.
Veva hörte die Frauen, die hinter ihr an der Reihe waren, kichern, denn Pater Hilarius hatte zuletzt nicht gerade leise gesprochen. Ein paar spotteten sogar über Veva, weil sie sich den Zorn des Predigers zugezogen hatte. Dabei war der Geistliche Schmeicheleien zugängig und vergab für eine flinke Hand, die unter seine Kutte griff und ihm Entspannung verschaffte, sogar halbe Todsünden.
2.
Z unächst empfand Veva nichts als Abscheu und Wut, sagte sich dann aber, dass sie wegen eines unwürdigen Vertreters des Herrn nicht ihr eigenes Seelenheil und das ihres Bruders aufs Spiel setzen durfte. Daher würde sie so rasch wie möglich bei einem anderen Beichtvater ihr Herz erleichtern. Dieser würde erkennen, dass sie die Wahrheit sprach, und sie freisprechen. Den Gedanken, zum Friedhof der Pfarrei und der dazugehörigen Allerheiligenkirche zu gehen, um von Pater Hilarius die Absolution zu erhalten, schob sie rasch beiseite. Er würde nur schlüpfrige Dinge von ihr hören wollen und noch schlüpfrigere von ihr verlangen.
Die Stimme des Ausrufers, der im Auftrag des fremden Predigers die Gläubigen aufrief, ihre Geldbörsen aufzuschnüren und Ablassbriefe zu kaufen, wies ihr den Weg. Nachdem Pater Hilarius sie ohne Segen weggeschickt hatte, erschien es ihr doppelt wichtig, sich auf diese Weise der himmlischen Mächte zu versichern.
Die Knechte des Ablasspredigers hatten neben der Kirche ein Gerüst aufgestellt und Bretter darauf gelegt, so dass ihr Herr und dessen Ausrufer von allen gesehen werden konnten. Ein einfacher Tisch, der aus zwei Schragen mit einer Platte darüber bestand, trug zwei Schatullen. Daneben stand ein in eine Soutane gehüllter Mann, der sich mit allen Symbolen seines hohen kirchlichen Ranges behängt hatte, während sein Begleiter nur einen schwarzen Leibrock und ebenso dunkle, enge Hosen trug. In einen der beiden Kästen warf der Geistliche die Münzen, die er von den Gläubigen erhielt, und aus der anderen nahm er Ablassbriefe in dem Wert der Spende. Vorne auf der Plattform saß ein Schreiber, der gewissenhaft die Namen jedes Käufers notierte und die erlassene Zeit im Fegefeuer für die Person errechnete, für die der Ablass gedacht war.
Da sich jeder, der nur ein paar Pfennige erübrigen konnte, die Worte des Pfarrers zu Herzen genommen hatte, drängten sich die Menschen dicht an dicht um das Gerüst. Es waren sogar Gläubige aus den Vierteln, die zur Pfarrei Unserer Lieben Frau gehörten, gekommen, um eine Anleihe auf ihr Seelenheil zu tätigen.
Veva musste daher erneut warten, bis sie an der Reihe war. Als sie über die Leiter auf die Plattform hochsteigen wollte, half ihr einer der Knechte. Der Ausrufer trat auf sie zu.
»Sprich, Jungfer, für wen willst du den Ablass, für dich oder für deinen Liebsten?«
Einige der Umstehenden lachten, während andere unmutig das Gesicht verzogen. Zu diesen gehörte Ernst Rickinger, der dem Geschehen bislang mit verächtlichem Lächeln gefolgt war. Nun schob er sich näher und wartete gespannt auf Vevas Antwort.
Diese benetzte sich die trockenen Lippen mit der Zunge und sah den Ablassverkäufer an. »Ich … ich will den Ablass für meinen Bruder erstehen. Er
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