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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ist von Räubern umgebracht worden und muss nun ohne den letzten Segen eines Geistlichen den Weg ins Himmelreich finden.«
    »Welch eine tugendsame Jungfrau!«, lobte der Mann sie.
    »Mit der Jungfrau ist es allerdings nicht mehr so weit her«, rief einer der Schaulustigen spöttisch.
    Der Ausrufer nahm das Stichwort sofort auf. »Nun, dann wirst du gewiss auch für dich einen Ablass erwerben wollen«, sagte er lächelnd zu Veva. Diese nickte scheu und wagte nicht, irgendjemanden anzusehen.
    »Wie viele Jahre Fegefeuer willst du deinem Bruder und dir ersparen? Hier ist die Liste! Spare nicht mit Geld, denn es ist nichts als eitler Tand, und ins Himmelreich kannst du es nicht mitnehmen.«
    Wieder hatte der Ausrufer einige Lacher auf seiner Seite, während Veva angespannt die Liste anstarrte, auf der zu lesen war, wie viel die einzelnen Jahre, Jahrzehnte und Jahrhunderte Minderung des Fegefeuers kosteten. Sie versuchte auszurechnen, wie viel Ablass sie erstehen konnte, wurde aber durch den Prälaten unterbrochen, der ihr fordernd die Hand entgegenstreckte.
    Nervös nestelte sie den Beutel von ihrem linken Arm und schüttete den Inhalt auf den Tisch. Der Geistliche zählte flink die Münzen und sonderte die aus, an denen seiner Meinung nach bereits etwas von dem Metall abgezwickt worden war. Dann sah er Veva von oben herab an. »Du hast eben dir und deinem Bruder für eintausendfünfhundertundsechzig Jahre das Fegefeuer erspart. Doch wird dies reichen?« Seine Stimme klang rauh und kratzig. Veva begriff, weshalb er einen anderen für sich reden ließ. Ihm selbst hätten die Menschen wohl nicht so viel Geld gespendet. Doch darum ging es jetzt nicht. Während ihr die Zahl der erlassenen Jahre hoch zu sein schien, war der Prälat offenkundig anderer Meinung.
    »Mehr habe ich nicht«, flüsterte sie.
    Der Ablassprediger musterte erst das Häufchen Münzen, dann sie und ihr Kleid, das sie als wohlhabende Bürgerstochter auswies, und schüttelte missbilligend den Kopf. »Du hast wohl zu viel Geld für Tand ausgegeben, so dass es dir für dein und deines Bruders …«
    »Zwillingsbruder!«, rief einer dazwischen.
    Der Prälat ließ sich durch den Schreier nicht aus dem Konzept bringen. »… und deines Zwillingsbruders Seelenheil nicht mehr reicht. Geh nach Hause, nimm deinen Schmuck und lege ihn auf diesen Tisch, damit ihr beide dem Höllen- und dem Fegefeuer entkommt und euch am Jüngsten Tage die Auferstehung und das ewige Leben zuteilwerden.«
    Nun war Vevas Vater niemand, der seiner Tochter eigenen Schmuck zugestanden hätte. Das wenige, das sie besaß, war ein Erbe ihrer Mutter und dafür gedacht, an zukünftige Generationen weitergegeben zu werden. Daher schüttelte Veva den Kopf. »Ich besitze nichts, was ich noch geben kann!«
    »So wenig ist dir dein Seelenheil und das deines Bruders wert?«, fuhr der Ablassprediger sie an.
    Veva hörte die Menschen um sich herum lachen und fragte sich, weshalb es das Schicksal heute so schlecht mit ihr meinte. »Ich werde mit meinem Vater reden«, flüsterte sie beinahe unhörbar.
    Der Prälat verstand sie jedoch und nickte. »Tu das und sage ihm, dass ihm die ewige Seligkeit seines Sohnes schon etliche Gulden wert sein sollte.«

3.
    E rnst Rickinger lauschte dem Gespräch auf dem Podest mit wachsendem Ärger. Die offensichtliche Gier des Ablasspredigers, der schon etliche durch gezielt gesetzte Worte dazu gebracht hatte, viel mehr Geld zu spenden, als sie beabsichtigt hatten, widerte ihn an. Für Veva musste die Situation unerträglich sein, denn sie hatte ihren Bruder geliebt und ihn auf erbärmliche Weise verloren. Nun drehte der Pfaffe auch noch den Dolch in ihrer Wunde herum. Am liebsten wäre Ernst auf das Gerüst gesprungen, um dem Kirchenmann mit ein paar kräftigen Maulschellen heilige Gottesfurcht einzuprügeln. Doch eine solche Tat würde nicht nur ihn ins Verderben stürzen, sondern bliebe auch an Veva hängen wie Pech.
    Daher kletterte er zu ihr hinauf und löste seinen Beutel. »Du sprichst mit der falschen Person, Prediger. Veva besitzt nicht mehr Geld, als sie dir gegeben hat. Nimm das hier dazu. Bartl war mein Freund, und ich will nicht, dass seine Schwester sich grämt, weil sie ihm nicht den Ablass erkaufen kann, den sie sich erhofft hat.« Mit diesen Worten schüttete er etliche Gulden auf den Tisch, die er eigentlich für einen kleinen Handel hatte verwenden wollen.
    »Du solltest dir besser einen Ablass für dich besorgen als für den Bartl«, spottete einer

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