Die Ketzerbraut. Roman
später sagen hören.«
»Aber bei Veva sieht man überhaupt nichts. Sie wirkt genauso wie sonst auch. Man könnte fast glauben, ihr wäre nichts geschehen.«
»Geschehen ist ihr schon was, denn diese Raubböcke lassen kein Weib, das ihnen in die Hände fällt, ungeschoren. Aber es heißt, dass manche Frau sich mit Nachgiebigkeit und der Bereitschaft, ihnen in allem zu Diensten zu sein, sich vor Verstümmelungen retten kann. Außerdem befand Veva sich ja nicht lange in ihrer Gewalt. Öfter als ein- oder zweimal hat sie sich gewiss nicht für die Kerle hinlegen müssen. Dann hat sie der brave Herr Haselegner befreit.«
»Haselegner ist ein sehr mutiger Mann. Er soll sogar einen großen geschäftlichen Schaden in Kauf genommen haben, um Veva zu retten. Das hätte nicht jeder getan.«
Veva ballte die Fäuste. Am liebsten hätte sie sich umgedreht und den klatschsüchtigen Weibern erklärt, was wirklich mit ihr geschehen war, nämlich gar nichts. Doch sie wusste selbst, dass sie eher mit einer Handvoll Wasser ein brennendes Haus löschen konnte, als dieses lose Gerede einzudämmen. Daher war sie froh, als sie in den Beichtstuhl schlüpfen konnte.
Nachdem sie den Vorhang hinter sich zugezogen hatte, war es im Innern fast so dunkel wie in der Nacht. Den Pater, der ihr die Beichte abnehmen sollte, sah sie nur schemenhaft. Wer es war, erkannte sie daher erst, als er zu sprechen begann. »Der Friede des Herrn sei mit dir, meine Tochter!«
»Grüß Gott, Herr Pater!« Während sie es sagte, fuhr Veva durch den Kopf, dass sich an diesem Tag alles gegen sie verschworen zu haben schien. Pater Hilarius stand zwar im Ruf, ansehnliche junge Frauen ohne viel Aufhebens von ihren Sünden freizusprechen, aber er war auch dafür bekannt, die Hände an Stellen wandern zu lassen, an die sie nie und nimmer hingehörten. Auch jetzt hatte er das Gitter abgenommen, das ihn von ihr trennen sollte.
»Sprich, meine Tochter! Erleichtere dein Gewissen und bekenne, wessen du dich schuldig gemacht hast«, forderte er sie auf.
Veva wusste nicht, womit sie beginnen sollte. Seit ihrer letzten Beichte hatte sie für ihr Gefühl nur wenig Schuld auf sich geladen, abgesehen davon, dass sie den Mördern ihres Bruders den Tod wünschte.
Pater Hilarius bemerkte ihr Zögern und ergriff ihre Hand. »Hab keine Scheu, Veva. Gott hat alles gesehen, daher kannst du mir, der ich hier für ihn spreche, alles bekennen, was dein Herz belastet.«
»Ehrwürdiger Vater, ich …, ich …« Veva brach ab und schluckte die Tränen, die in ihr aufstiegen. Dann hatte sie sich wieder in der Gewalt und vermochte weiterzureden. »Es ist so viel Schlimmes geschehen, ehrwürdiger Vater. Mein Bruder ist tot. Er wurde ermordet.«
»Ich weiß«, erklärte der Beichtvater. »Ich habe es bereits vernommen und ein Gebet für seine Seele gesprochen, da sie den langen und beschwerlichen Weg zu ihrem himmlischen Richter ohne geistlichen Beistand antreten musste. Du solltest nachher bei dem hochwürdigen Prälaten Cassini einen Ablassbrief erwerben, der deinem Bruder den Weg zu Jesus Christus erleichtert und ihm etliche hundert Jahre Fegefeuer erspart.«
»Das werde ich tun, ehrwürdiger Vater«, versprach Veva.
Der Pater nickte und forderte sie nun auf, zu beichten, was sie sich selbst hatte zuschulden kommen lassen.
»Es ist nicht viel, ehrwürdiger Vater. Ich habe doch am Abend vor meiner Abreise noch gebeichtet, und in der Zwischenzeit …«
»Ist sehr viel geschehen«, fiel der Geistliche ihr ins Wort. »Erzähle mir alles, vom Mord an deinem Bruder angefangen bis zu deiner Rückkehr nach München.«
Vielleicht wird mir leichter ums Herz, wenn ich über alles sprechen kann, dachte Veva und begann ihren Bericht. Ihr Beichtvater hörte aufmerksam zu, ohne sie zu unterbrechen. Weniger angenehm war, dass seine rechte Hand auf ihre Brust glitt. Trotz der dicken Schicht Stoff, die ihre Haut von seinen Fingern trennte, hatte sie das Gefühl, beschmutzt zu werden. Sie wagte jedoch nicht, ihn wegzuschieben, aber sie fasste sich nun kürzer. Als sie schließlich zu Ende war, fragte der Pater ärgerlich: »War dies alles?«
»Bei meiner Seligkeit, ja!«
»Du verbirgst wichtige Dinge, meine Tochter. Vor den Menschen magst du sie verschweigen, aber mir, deinem Seelsorger, musst du sie beichten.«
»Es gibt nichts, was ich beichten könnte, ehrwürdiger Vater«, flüsterte Veva unter Tränen.
»Du warst die Gefangene der Räuber, unser Herr im Himmel möge sie mit ewiger
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