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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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der Mönche, die sich ebenfalls um das Podest versammelt hatten.
    Ernst drehte sich langsam um und bedachte den Sprecher mit einem verächtlichen Blick. »Und du solltest mehr beten als fressen und saufen! Das würde unserem Herrn Jesus Christus gewiss auch besser gefallen.«
    Diesmal hatte Ernst die Lacher auf seiner Seite, denn der stattliche Umfang des Klosterbruders zeigte überdeutlich, dass er es an nichts fehlen ließ. Der Mönch wurde rot wie toskanischer Wein, doch bevor er etwas erwidern konnte, erschien Doktor Portikus vor dem Podest und sah mit einer Miene des Abscheus zu Ernst hoch.
    »Dieser Mann«, rief er mit sich überschlagender Stimme, »ist des Teufels! Selbst das gesamte Vermögen seines Vaters würde nicht ausreichen, ihm auch nur ein einziges Jahr der Höllenstrafe zu erlassen.«
    Der Ablassprediger sah die Gelegenheit, noch mehr Geld aus Ernst herauszuholen. »Unser Herr Jesus Christus im Himmel ist gnädig. Wenn der Sünder sich reuig zeigt und aus frohem Herzen und mit voller Hand spendet, wird er auch diesem Jüngling die rettende Hand reichen und ihn ins Himmelreich geleiten!«
    Doktor Portikus verzog das Gesicht, als habe er in etwas unnennbar Ekelhaftes gegriffen. Aber er mischte sich nicht mehr ein,
     sondern beobachtete Ernst Rickinger scharf, der nun von dem Ablassprediger mit Drohungen und Versprechen traktiert wurde.
    Schließlich wurde es Ernst zu bunt, und er klopfte mit den Fingerknöcheln auf den Tisch. »Willst du nicht endlich Jungfer Veva die Ablassbriefe übergeben, die sie und ich dir bezahlt haben? Was mich betrifft, so überlasse ich es der Gnade unseres Herrn Jesus Christus, ob er mich ins Himmelreich aufnimmt oder nicht.«
    Portikus schrie mit sich überschlagender Stimme hinauf: »Das ist Ketzerei!«
    Der Ablassprediger hatte jedoch begriffen, dass er aus dem Burschen keinen weiteren Pfennig herauspressen konnte. Wenn er sich mit dem Kerl stritt, würde er nur die Menschen vertreiben, die bereit waren zu zahlen. Daher griff er in die Kiste mit den Ablassbriefen und reichte Veva eine Handvoll davon, ohne nachzurechnen, wie viele Jahre Fegefeuernachlass diese zusammen ergaben.
    Als Veva sie zählen wollte, winkte er mit einer wegwerfenden Geste ab. »Unser Herrgott im Himmel weiß, wie viele Ablassjahre du für deinen Bruder erstanden hast. Die Zahl darauf gilt nichts!«
    »Aber …«, wollte Veva einwenden, doch da führte Ernst sie zur Leiter.
    »Komm, Veva, tröste dein Herz damit, dass du alles getan hast, um Bartls Seele zu retten.« Er half ihr noch von dem Gerüst und ging ohne Abschied davon.
    Unterwegs ärgerte er sich, dass er gutes Geld für wertloses Papier ausgegeben hatte. Er glaubte schon lange nicht mehr daran, dass auf diesen Briefen der himmlische Segen ruhte. Allerdings würde er sich in Zukunft besser in Zaum halten müssen und seine Verachtung für die Umtriebe der Pfaffen, die dem gläubigen Volk auch noch den letzten Heller aus den Taschen zogen, nicht mehr offen zeigen. Portikus mochte zwar ein eitler Narr sein, doch wenn der Theologe erst einmal den Hauch eines Beweises in die Hand bekam, er könne ein Häretiker sein, so geriet nicht nur er, sondern auch sein Vater in Gefahr. Der Appetit der heiligen katholischen Kirche war groß, und die Strafen, welche die Gerichte gegen Ketzer aussprachen, brachten selbst einen reichen Mann an den Bettelstab, wenn nicht sogar auf den Richtplatz.
    Ernst dachte an den Doktor aus Wittenberg, der seinen Namen nicht lateinisch verhunzt hatte wie Ägidius Thürl, der sich nun Portikus nannte. Martin Luther schrieb vor allem in deutscher Sprache, so dass die Menschen ihn verstehen konnten. Auch nannte er die Pfaffen mit Recht verfressen und unmoralisch und den Papst einen raffgierigen Antichristen, weil dieser mit den Spenden der Gläubigen keine wohltätigen Werke vollbrachte, sondern sich damit Paläste baute, Mätressen aushielt und seine Kinder und Neffen mit Titeln, Würden und Besitz versorgte.
    Ernst wusste natürlich, dass nicht alle Geistlichen diesem schlimmen Bild entsprachen, doch solange Männer wie die Patres Remigius und Hilarius in der Kirche nicht nur geduldet, sondern auch noch verteidigt wurden, hielt er den Stamm, auf dem die Christenheit ruhte, für verfault. Vor kurzem erst hatte sich sogar Herzog Wilhelm in Gegenwart einiger Patrizier, die sich über diese Auswüchse in der Geistlichkeit der Stadt beschwert hatten, in diesem Sinne geäußert.
    »Und ich Trottel gebe auch noch mein gutes Geld

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