Die Ketzerbraut. Roman
Freundinnen genannt hatte, waren in den letzten Tagen nur gekommen, um sie über ihren Aufenthalt bei den Räubern auszufragen und möglichst schockierende Einzelheiten zu erfahren. Sie hatten keine Worte des Trostes gefunden.
Der Knecht bemerkte, dass Veva wieder in düsterem Sinnieren zu versinken drohte, und stieß sie an. »Da vorne ist schon Feldkirchen! Jetzt ist es nicht mehr weit nach Pewing.«
Veva blickte über das Land, das hier so flach war wie ein Teller. Am östlichen Horizont vermochte sie eine niedrige Hügelkette zu erkennen, während weit im Süden die Gipfel des Gebirges in kalter blauer Pracht aufragten und ihr trotz der Entfernung das Gefühl gaben, ein zwergenhaftes Wesen zu sein.
»Es ist schön, so zu gehen«, sagte sie und wunderte sich selbst darüber.
»Wenn man sich dabei auch noch unterhält, vergeht die Zeit schneller, und der Weg kommt einem nicht so lang vor!« Es war ein weiterer Versuch des Knechts, Veva zum Reden zu bringen. In seinen Augen brachte es nichts, wenn sie sich in ihrer Trauer vergrub. Was geschehen war, konnte niemand mehr ändern, nicht einmal der Herrgott.
»Das Leben muss weitergehen«, sprach er seinen Gedanken aus und sah Veva auffordernd an. »Und? Gibt es denn keinen jungen Burschen, der dir als Bräutigam taugen würde?«
Veva ging die Liste der jungen Männer durch, die sie kannte, und schüttelte den Kopf. »Ich wüsste keinen, den ich den anderen vorziehen würde. Ich verlass mich darauf, dass mein Vater den Richtigen aussucht. Was bleibt mir denn anderes übrig, als den zu nehmen, den er für mich bestimmt?«
»Du darfst wenigstens heiraten! Aber einer wie ich bleibt sein Leben lang einschichtig. Ich habe weder Geld für das Bürgerrecht noch für die Heiratserlaubnis, und überdies fehlt mir das Haus, das man braucht, um als Bürger zu gelten. Aber so ist das Leben. Der eine ist oben, der andere unten, und einige sind irgendwo dazwischen. Trotzdem kann ich froh sein, bei deinem Vater im Dienst zu stehen. Der behandelt mich gut und zwickt mir nichts von dem vereinbarten Lohn ab, sondern gibt mir hie und da sogar ein Trinkgeld. Und das Bier, das wir bekommen, ist auch nicht schlecht. Anderen geht es lange nicht so gut.«
Der Schwab dachte vor allem an Rosi, deren Meisterin in seinen Augen ein ausgemachtes Miststück war. Das Mädchen gefiel ihm, und mit genug Geld im Beutel hätte er gerne mit ihr einen eigenen Hausstand gegründet. Doch so, wie es aussah, würde das wohl am Sankt Nimmerleinstag geschehen. Er seufzte, verdrängte die trüben Gedanken und riss ein paar Witze, um Veva aufzuheitern.
13.
N icht lange, da sahen Veva und der Schwab das Pewinger Gotteshaus mit dem im Vergleich zu dem kurzen Kirchenschiff viel zu wuchtigen Turm vor sich. In der Nähe der Kirche lag ein prachtvoller Hof, dessen Hauptgebäude so gepflegt wirkte, als halte sich sein Herr regelmäßig hier auf. Weitere, ebenfalls recht stattliche Höfe bildeten den Rest des Dorfes, während ein paar Steinwürfe entfernt ein schlichtes Gebäude stand, das Stall, Scheune und Wohntrakt unter einem einzigen, nicht besonders großen Dach vereinte.
»Was meinst du, Jungfer? Welchen dieser Höfe hat dein Vater als Pfand für sein Darlehen erhalten?«, fragte der Schwab und hielt auf den größten zu.
»Den dort bestimmt nicht, aber es gibt ja noch einige andere«, antwortete Veva und winkte einem Knecht zu, der ihnen mit Pferd und Wagen entgegenkam. »He, guter Mann, wo befindet sich der Steinhof?«
»Brrr!« Der Knecht hielt sein Gespann an und sah Veva neugierig an. »Zum Steinhof wollt ihr? Da hättet ihr da vorne abbiegen müssen!« Er zeigte auf den Weg, der zu dem kleinen Anwesen abseits des Dorfes führte.
Veva spürte, wie sich ein Klumpen in ihrem Magen breitmachte. Das Gebäude sah bereits auf die Entfernung verwahrlost aus. Auf dem Misthaufen scharrten ein Hahn und zwei einsame Hennen, und auf der Weide neben dem Hof rupfte eine einzige magere Kuh das Gras.
»Danke für die Auskunft!« Mit einem Seufzen machte Veva kehrt und schritt auf das Anwesen zu. Der Schwab folgte ihr mit einem Gesicht, als hätte ihm sein Herr eben den Lohn für den Rest des Jahres entzogen.
»So habe ich mir den Meierhof nicht vorgestellt«, murmelte er enttäuscht.
»Ich mir auch nicht! Aber wir werden gleich erfahren, was es damit auf sich hat.« Veva hatte bei dem Hof eine Frau entdeckt, die mit einem Beil Reisig hackte, und ging auf sie zu. »Grüß Gott! Ist das der Steinhof von
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