Die Ketzerbraut. Roman
haben wir einmal acht Stück gehabt, und auch die Sau ist weg, die wir im Herbst haben schlachten wollen.«
Der Mann hielt einen Augenblick inne und sah Veva verbittert an. »Jetzt aber ist nicht der Herzogliche Rat derjenige, der uns zum Teufel jagt, sondern Ihr, die Ihr uns nichts schuldig seid. So kann man vor dem Herrgott natürlich ein reines Gewissen behalten.«
»Warum sollten wir euch vom Hof verjagen?«, fragte Veva verwirrt.
»Weil ich als Einbeiniger die Arbeit nicht mehr erledigen kann. Meine Frau schafft es nicht allein, die Kinder sind zu jung, und meine Mutter ist zu alt dafür. Jetzt müssen wir auf die Landstraße und betteln gehen. Gebe der Herrgott, dass uns die Leute nicht verhungern lassen!«
Veva schwirrte der Kopf. Natürlich verstand sie die Situation, die der Bauer ihr beschrieben hatte, und sie wusste auch, dass ihr Vater, wenn er wenigstens einen gewissen Ertrag aus dem Hof herausholen wollte, jemand anderen hier einsetzen musste. Ihr widerstrebte es jedoch, die Familie, die schon so viel erlitten hatte, zu einem Leben im Elend zu verurteilen, in dem sie von der Barmherzigkeit fremder Leute abhängig wären.
»Hol den Korb herein, den mein Knecht getragen hat, und sag ihm, er soll ebenfalls hereinkommen«, forderte sie die Bäuerin auf. Diese nickte stumm, und kurz darauf betrat der Schwab den verräucherten Raum.
Veva zog eine Wurst aus den Vorräten, die sie von Cilli erhalten hatte, und teilte sie auf. Die beiden größten Stücke reichte sie dem Bauern und seiner Frau, die anderen den Kindern und der Alten, die wieder in ihrem Topf rührte. Die Bauersleute starrten auf die Wurststücke und schienen nicht recht zu begreifen, was sie damit tun sollten.
»Esst!«, befahl Veva und gab dann auch dem Schwab ein Stück. »Du wirst mir raten müssen, was wir tun sollen. Wie es aussieht, hat der hochlöbliche Herr Rat Prielmayr meinen Vater schmählich betrogen, um diese armen Leute hier loszuwerden. Ich nehme es aber nicht auf mein Gewissen, dass sie deshalb von Haus und Hof vertrieben werden.«
»Dann, Jungfer, wirst du deinem Vater einiges zu erklären haben.« Der Schwab hatte sich sein eigenes Bild gemacht, und darin war für die Familie eines Krüppels kein Platz. Aber er wagte es nicht, dies Veva ins Gesicht zu sagen. Frauen reagierten in solchen Situationen meist eigenartig. Er ärgerte sich, weil Leibert seine Tochter mitgeschickt hatte, sonst hätte er die Sache im Sinn seines Herrn erledigen können, und danach wäre alles gut gewesen. Doch nun …
Der Schwab brach den Gedankengang ab, lehnte sich mit der Schulter gegen einen Balken und kaute auf seiner Wurst herum. Sollte Veva doch sehen, wie sie mit den Zuständen hier zurechtkam. Er würde seinem Herrn auf jeden Fall einen unvoreingenommenen Bericht liefern.
Unterdessen war Veva zu einer Entscheidung gelangt. »Wie ich meinen Vater verstanden habe, kannst du zwei oder drei Tage hierbleiben, bevor du zurück nach München musst. In der Zeit wirst du die Arbeiten erledigen, die der Bäuerin zu schwer sind. Da ich einige Wochen hier verbringen soll, kann ich ebenfalls mit anpacken. Später werden wir sehen, ob wir nicht einen Knecht einstellen können, der den braven Leuten zur Hand geht. Der Bauer kann weiterhin solche Teller schnitzen wie diese dort und andere Dinge aus Holz, die auf dem Markt verkauft werden können. Auch werden wir einige Kühe und anderes Viehzeug besorgen müssen.«
»Ich will dir ja nicht reinreden, Jungfer, aber dein Vater wird es nicht gerne sehen, wenn er erst viel Geld in diesen Hof hineinstecken muss, bevor er das erste hier gelegte Ei verspeisen kann.«
Veva maß den Knecht mit einem spöttischen Blick. »Der Vater muss auf jeden Fall zuerst Geld in den Hof stecken, um Vieh und andere wichtige Dinge zu kaufen. Außerdem müsste er sich einen Bauern suchen, der den Hof für ihn führt. Umsonst macht das keiner. Daher ist es besser, es bleibt so, wie es ist. Dieser gute Mann hier kennt sein Land und weiß, was hier wächst, und sein Weib ist fleißig wie selten eine.«
Die Bauersleute hatten dem Gespräch mit wachsendem Erstaunen zugehört. Während dem Mann vor Erleichterung die Tränen in die Augen traten, ergriff seine Frau Vevas Hand und küsste sie. »Euch hat der Herrgott geschickt! Wir hatten solche Angst, fortzumüssen. Die Muhme kann nur noch ein paar Schritte humpeln, und die Kinder sind noch so klein«, flüsterte sie und rieb sich mit dem Handrücken über die Augen.
Veva wusste
Weitere Kostenlose Bücher