Die Ketzerbraut. Roman
Pewing?« Ein wenig hoffte sie, der Knecht hätte sich einen Scherz mit ihr und dem Schwab erlaubt.
Doch die Bäuerin nickte und musterte sie misstrauisch. »Ja, das ist der Steinhof. Wer bist du und was willst du von uns? Zu holen ist hier nichts mehr, denn der Herr hat alles wegschaffen lassen.«
»Ich bin die Tochter des Münchner Bürgers Bartholomäus Leibert, der diesen Hof vom Herzoglichen Rat Prielmayr als Pfand erhalten hat«, stellte Veva sich vor.
»Als Pfand hat er den Hof bekommen? So ist das also! Dann haben wir wirklich nichts Gutes mehr zu erwarten. Der Verwalter des Herrn Rat hat uns schon alles wegnehmen lassen, was nicht niet- und nagelfest war. Viel Freude werdet ihr mit dem Hof nicht haben.«
Veva verstand nicht alles, was die Frau in den abgerissenen Kleidern erzählte, doch eines begriff sie: Der hohe Herr, dem dieser Hof gehörte, hatte diesen, bevor er ihn an ihren Vater verpfändet hatte, bis auf eine alte Kuh und ein paar Hühner ausräumen lassen. Ihr Traum, von hier Lebensmittel für den eigenen Haushalt zu erhalten, zerstob jäh, denn die Bäuerin sah so mager aus, als bekäme sie selbst nicht genug zu essen.
»Wollen wir nicht hineingehen und die Sache in aller Ruhe bereden?«, forderte sie die Bäuerin auf.
»Ich hab keine Zeit! Ich muss das Zeug hier kleinmachen, sonst haben wir nichts einzuheizen.« Ohne sich weiter um Veva und den Schwab zu kümmern, fuhr die Bäuerin in ihrer Arbeit fort.
Da griff Veva ein. »Das Holz kann mein Knecht für dich hacken. Ich will jetzt wissen, wie es um den Hof steht.«
Bei diesen Worten zog der Schwab ein saures Gesicht, denn Bauernarbeit war nicht gerade nach seinem Sinn. Außerdem hatte Leibert ihn beauftragt, sich alles anzusehen und mit den Leuten zu reden. Da er Veva jedoch schlecht auffordern konnte, selbst anzupacken, stellte er seinen Korb ab, übernahm das Beil und machte sich ans Werk.
Veva folgte der Bäuerin, die eine schief in den Angeln hängende Tür öffnete und ins Haus hineinrief. »Hein, da sind Leute, die sagen, der Hof würde jetzt ihnen gehören.«
»Bring sie herein! Dann haben wir es wenigstens hinter uns«, kam es müde und – wie Veva herauszuhören glaubte – zutiefst verzweifelt zurück. Und doch traf sie der Anblick des einzigen Wohnraums, der gleichzeitig als Küche und Schlafkammer diente, gänzlich unvorbereitet: Auf einem dreibeinigen Schemel neben einem kunstlos gemauerten und bereits bröckelnden Herd hockte eine zahnlose alte Frau und rührte in einer irdenen Schüssel. Drei Kinder, eines magerer als das andere, kauerten in der Ecke und sahen Veva angstvoll entgegen. Am Tisch saß ein hagerer Mann mit gefurchten Gesichtszügen und schnitzte an einem hölzernen Teller. Neben ihm lehnte eine primitive Krücke, die Vevas Blick auf die Beine des Mannes lenkte.
Sie sog erschrocken die Luft ein, als sie sah, dass das rechte knapp unter dem Knie endete.
Jetzt blickte auch die Alte auf und rang die Hände. »Heilige Maria, Mutter Gottes, steh uns bei in unserer großen Not!«
»Du kommst vom Leibert aus München?«, fragte der Mann, ohne in seinem Schnitzwerk innezuhalten.
»Ich bin seine Tochter.«
»Dann sagt ihm, dass er sich von dem Herzoglichen Rat Prielmayr über den Tisch hat ziehen lassen. Billiger als mit diesem Hof ist noch keiner an Geld gekommen. Da schaut her!« Er zeigte auf seinen Beinstumpf. »Das hab ich mir geholt, als ich beim Herrenhof scharwerken war. Zum Dank wollte dessen Verwalter mich und meine Familie vom Hof jagen und einen Gesunden hersetzen. Aber unser Herr Pfarrer hat ihm das ganze Christentum an den Kopf geworfen und ihm gesagt, dass er schlimmer als ein Heide wär, wenn er das tut. Dabei besitzt der Herr Prielmayr etliche Höfe im ganzen Land. Der unsere ist einer der kleinsten, aber meine Vorfahren haben ihre Arbeit immer recht getan. Auch ich hab’s – bis mir der Feldscher den Haxen hat abschneiden müssen. Jetzt bin ich zu nichts mehr nutze, und mein Weib muss sich so abrackern, dass sie im Winter das Kind verloren hat. War auch besser so, denn ernähren hätten wir es eh nicht können. Uns bleibt nicht einmal genug zu essen für die drei Würmerl, die wir jetzt schon haben. Und nun ist es ganz aus! Jetzt müssen wir vom Hof, weil der gnädige Herr einen Weg gefunden hat, die Regeln des Christentums zu umgehen. Letzte Woche hat uns sein Verwalter das Vieh aus dem Stall holen lassen, weil wir angeblich den Zins nicht bezahlt hätten. Eine Kuh ist noch da, dabei
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