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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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Bräutigam. Dieser lehnte an der Wand und blickte durch das offene Fenster auf die Gasse hinaus. Dabei unterhielt er sich mit Hochwürden Georg Eisenreich, dem Pfarrherrn von Sankt Peter, der es sich nicht hatte nehmen lassen, die Ehe der Kinder von zwei reicheren Gemeindemitgliedern persönlich zu schließen. Eben ermahnte er Ernst, sich seiner Verantwortung als Ehemann und zukünftiger Familienvater bewusst zu werden und auf Streiche wie in der Vergangenheit zu verzichten.
    »Auch solltest du nicht mehr so oft in die Bierschenke laufen«, setzte er seinen Vortrag fort. »Oder willst du, dass dein Weib oder deine Kinder dich mit dem Schubkarren holen müssen, weil du nicht mehr in der Lage bist, auf eigenen Beinen zu stehen?«
    Ernst, der die Folgen seines letzten Rauschs auch an diesem Tag noch spürte, lächelte verlegen. »Hochwürdiger Herr, ich werde mich bemühen, so zu leben, wie es Jesus Christus, unserem Herrn, gefällt.«
    »Das ist wohl gesprochen«, lobte ihn der Priester.
    Zu dessen Glück vermochte er die Gedanken des jungen Mannes nicht zu lesen. Dieser hatte sich nicht die flammenden Predigten als Beispiel genommen, in denen die Repräsentanten der Kirche ihren Schäflein mit allen Strafen der Hölle drohten, sollten sie ihnen nicht gehorchen, sondern sich an den Schriften des Doktors aus Wittenberg orientiert. Diese hatten ihn, wie er nun begriff, weitaus stärker beeindruckt, als er bisher angenommen hatte.
    Da sich keiner der Anwesenden nach ihr umsah, kam Veva sich überflüssig vor und fragte sich, ob sie nicht wieder gehen und warten sollte, bis man sie rief. Dann aber straffte sie den Rücken und trat auf ihren Vater zu.
    »Ich bin bereit!«
    Leibert nickte ihr kurz zu und drehte sich wieder zu Rickinger um. »Du kennst meine Bedingungen. Entweder unterschreiben du und dein Sohn den Vertrag so, wie er ist, oder es gibt keine Hochzeit.«
    »Das ist doch alles Narretei!«, fluchte Ernsts Vater, nahm dann aber die Feder zur Hand und setzte seinen Namenszug unter den Vertrag.
    »Und jetzt du!«, rief er seinem Sohn zu.
    »Verzeiht, hochwürdiger Herr.« Ernst unterbrach sein Gespräch mit dem Pfarrer, trat zu seinem Vater und unterschrieb, ohne den Text durchzulesen. Zwar waren Veva und er die Hauptbeteiligten an dieser Geschichte, doch sie hatten ohnehin nicht das Geringste zu sagen. Er warf seiner Zukünftigen einen kurzen Blick zu und bemerkte überrascht, wie schön sie war.
    Bislang hatte er sie nur für recht hübsch gehalten, doch in ihrem besten Gewand mit dem wie eine Krone aufgesteckten kastanienbraunen Haar und dem ebenmäßigen Gesicht gab es wohl keine Frau in München, die ihr das Wasser reichen konnte. Verwundert fragte er sich, wieso er das bis jetzt übersehen hatte, und bedauerte, dass sich ihre Wege nach der Trauung sofort wieder trennen würden.
    Unterdessen unterschrieb Leibert den Vertrag für sich und seine Tochter und reichte ihn dann an den Pfarrherrn weiter, der seinen Schriftzug und sein Siegel als Zeuge daruntersetzte.
    »Mit dieser Heirat ist es wohlgetan«, erklärte Hochwürden Eisenreich. »Ernst erhält ein rechtschaffenes Weib und vermag Veva die Stütze zu sein, die sie nach den schrecklichen Tagen im Gebirge braucht. Sie hingegen wird ihn mit ihrer Sanftmut und Güte ans Haus fesseln und verhindern, dass noch einmal unziemlicher Übermut die Herrschaft über ihn erringt!«
    Während Vevas Gesicht starr blieb, versuchte Ernst zu lächeln. So ein braver Untertan, wie der Pfarrer es anzunehmen schien, würde er auch in der Ehe nicht werden. Dafür hatte er bereits zu viele der Schriften Martin Luthers gelesen und empfand es als Geschenk des Himmels, nach Augsburg geschickt zu werden. Dort mussten die Aufrufe aus Wittenberg nicht verstohlen von Hand zu Hand gereicht werden, sondern wurden von Druckern und Buchhändlern offen verkauft. Viele der Flugblätter, die in München und anderen bayrischen Städten im Umlauf waren, kamen aus der Freien Reichsstadt. Hier aber konnte Johann Schobser, der als Einziger in der Stadt München das Privileg besaß, eine Druckerpresse zu betreiben, es nicht wagen, Luthers Gedanken zu vervielfältigen, wollte er sich nicht den gesamten Klerus im Allgemeinen und Doktor Portikus im Besonderen zum Feind machen.
    »Sprecht den Trausegen, hochwürdiger Herr!«, drängte Bartholomäus Leibert, der den Knoten so rasch wie möglich geschürzt sehen wollte, und forderte das Brautpaar auf, vor den Pfarrer zu treten.
    Dieser wusste bereits, dass

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