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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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welches Kleid Veva getragen habe, und interessierte sich auch sonst für ihr Aussehen. »Merkt man ihr den Schrecken noch an?«
    Ernst begriff erst nach kurzem Nachdenken, was sie meinte. »Nein! Sie hat blitzsauber ausgesehen. Da kommt so leicht keine Zweite in unserem München mit, vor allem nicht der Trampel, den mein Vater sich in sein Bett holen will.«
    »Es ist halt ein Kreuz, wenn die Mannsleute nicht mehr mit dem Kopf denken, sondern mit dem, was sie zwischen den Beinen hängen haben. Na ja, altes Stroh brennt nun einmal schneller als frisch gemähtes. Das muss einmal gesagt werden.«
    Lina seufzte, denn sie machte sich Sorgen darüber, wie das Leben unter der neuen Hausfrau werden würde. Wenn sie Pech hatte, würde die Bäckerin sie auf den Stand einer Spülmagd zurücksetzen oder ließ sie gerade noch den Hof kehren und Hasso füttern. Doch damit wollte sie den jungen Herrn nicht belasten.
    Da Ernst nicht viel von seiner Hochzeit zu berichten wusste, plätscherte ihr Gespräch so dahin und verebbte schließlich, als Eustachius Rickingers Gäste erschienen und Lina die anderen Mägde herumschicken musste, um das zukünftige Paar und die Verwandtschaft der Bäckerwittib zu bedienen.
    Ernst blieb in der Küche, trank noch einen Becher Bier und brach sich ein Stück Brot ab, das er trocken aß. Gelegentlich hörte er Lachen und laute Stimmen aus der guten Stube dringen, kümmerte sich aber nicht darum. Inzwischen war ihm klargeworden, dass er bei diesen Gastmählern nicht vermisst wurde. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, was Susanne Striegler für eine Frau sein mochte. Keine andere hätte seinen Vater nach so unschicklich kurzer Werbung erhört. Ihr ging es wahrscheinlich nur um seinen Reichtum und um das Ansehen, das sie als Ehefrau des Eustachius Rickinger genießen würde.
    Als der Abend kam, servierte Lina Ernst etwas zu essen. Am liebsten hätte sie ihn durchgeschüttelt, weil er sich durch seine Haltung selbst schadete. Ihrer Meinung nach hätte er sich zu seinem Vater und dessen Gästen gesellen müssen, und sei es nur, um diesen klarzumachen, dass es ihn gab und Susannes Herrschaft daher niemals so unumschränkt sein würde, wie diese es sich, ihren Aussprüchen nach zu urteilen, einbildete.
    Ernst ließ ihre Vorhaltungen lächelnd über sich ergehen und wartete auf die Nacht. Den Rest der verräterischen Flugblätter hatte er bereits am Vortag aus seinem Zimmer entfernt und in seinem Geheimversteck in Hassos Hundehütte untergebracht. Bevor er die Stadt am nächsten Morgen für etliche Wochen verließ, musste er die Blätter verteilen.
    Erst spät brachen die Gäste auf. Als Ernst durch das Fenster schaute, sah er Susanne Striegler mit ihrem Bruder und einigen anderen Verwandten das Anwesen verlassen. Sie war ein strammes Ding, vielleicht ein wenig zu alt für ihn, aber nicht hässlich. Auf jeden Fall aber schien sie sich sehr viel darauf einzubilden, dass sie die Rickingerin werden sollte.
    Ernst machte sich nichts daraus, denn er wusste, dass dieses Haus nicht mehr sein Heim war. Wenn er wieder nach München kam, würden er und Veva ihren eigenen Hausstand in Leiberts Haus einrichten. Bei diesem Gedanken spottete er über sich selbst, weil er seine Hochzeitsnacht nicht in den Armen seines jungen Weibes erleben würde und stattdessen Luthers Schriften unters Volk bringen würde.

23.
    L ina gegenüber tat Ernst so, als ginge er zu Bett. In seiner Kammer öffnete er als Erstes das Fenster und sah zum Mond hoch. Zum Glück schien dieser hell genug für seine Zwecke. Aufatmend suchte Ernst ein Paar dunkle Hosen und ein ebensolches Wams heraus und zog sich um. Danach wartete er, bis die Geräusche im Haus verstummt waren. Bald wurde es auch um das Haus so still, dass er den Wind über die Dächer streichen hörte.
    Nur der Ruf des Nachtwächters, der für dieses Viertel verantwortlich war, drang durch das offene Fenster, und hie und da erklangen die Schritte nächtlicher Passanten, die von der Schenke nach Hause strebten. Einen hörte er immer wieder schimpfen, wenn er stolperte, und er musste grinsen. Der Kerl schien keine Laterne vom Wirt bekommen zu haben, und wenn er so weitermachte, rief er noch die Wache auf den Plan. Dann würde er die Nacht in der Arrestzelle im Keller des Rathauses verbringen.
    Bald verstummte der Mann – wahrscheinlich hatte er sein Ziel erreicht –, und es wurde wieder ruhig. Dennoch beschloss Ernst, bis nach Mitternacht zu warten. In voller Kleidung legte er sich

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