Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
Jahre, da sie gelernt hatte, allem fleischlichen Verlangen zu entsagen, spurlos an ihr vorbeigegangen?
Peyres rutschte ein Stück zum plätschernden Wasser hin, umklammerte seinen zum Speer gespitzten Ast und blickte aufmerksam auf den Bach. Adelind schlang ihre Arme um die Knie. Eine Weile beobachtete sie seinen wartend angespannten Körper, dann begann das lange Schweigen ihr unangenehm zu werden.
» Sollte ich nicht nach Olivette sehen? « , bot sie an. Peyres regte sich nicht.
» Sie ist nicht so hilflos, wie du meinst. Wenn ihr etwas geschehen wäre, hätten wir vermutlich Schreie gehört. Lass sie nach Pilzen suchen, der Boden hier ist feucht, es muss kürzlich geregnet haben. Wenn wir nicht bald etwas zu essen finden, sind wir nicht mehr in der Lage zu laufen. «
Adelind musste zugeben, dass er recht hatte. Sie fühlte sich ähnlich geschwächt wie zur Zeit des Wassermangels in Carcassona.
» Wenn wir ein Dorf finden, dann hilft man uns vielleicht « , schlug sie vor. Nun ließ Peyres seinen Ast sinken und drehte sich zu ihr um.
» Dann müsst ihr beide gebratenes Fleisch essen, vor aller Augen, damit niemand ahnt, warum wir auf der Flucht sind. Vergiss nicht, dass wir den Leuten nicht bedingungslos vertrauen können. Simon de Montfort will sie durch seine gnadenlose Härte einschüchtern, und damit hat er wohl Erfolg, wie wir gesehen haben. «
Adelind zog ihre Knie enger an den Oberkörper.
» Ich werde gebratenes Fleisch essen, wenn es sein muss. Und Olivette wird es auch tun, wenn ich es ihr sage. «
Sie streckte die Schultern. Allmählich begann sie wieder jenem Menschen zu ähneln, der sie vor Hildegards Tod gewesen war.
» Olivette trifft inzwischen ihre eigenen Entscheidungen, und die sind gar nicht so dumm « , gab Peyres trocken zurück. Adelind nickte.
» Ich weiß. Seit der Flucht aus Carcassona war sie dir eine größere Hilfe als ich. «
Er ging nicht darauf ein, sondern sah wieder zum Wasser. Adelind streckte die Beine aus.
» Ich werde jetzt keine Schwierigkeiten mehr machen « , versprach Adelind. » Ich will, dass wir alle lebend zu Esclarmonde kommen. Aber verrate mir bitte, wie wurdest du zum Troubadour Simon de Montforts? Wie konntest du für einen Mann singen, der deine Heimat verwüstet? «
Sie atmete erleichtert aus, denn nun hatte sie endlich ausgesprochen, was sie seit ihrem Wiedersehen auf der Grafenburg beschäftigt hatte. Peyres regte sich nicht. Sein Gesicht blieb abgewandt, als er zu reden begann.
» Ich wollte leben, Adelind, ganz einfach. Ich zog mit meiner Truppe in der Gegend um Monpeslier herum. Wir waren zu fünft, zwei Frauen und drei Männer. Es ging uns gut, wir hatten Erfolge auf einigen Grafenburgen gehabt und hofften, irgendwann auf Dauer aufgenommen zu werden. Da tauchte plötzlich dieses Heer am Horizont auf. Zunächst wussten wir gar nicht, mit wem wir es zu tun hatten, und erhielten auch keine Gelegenheit zu fragen. Meine Gefährten wurden einfach niedergemetzelt. Was sie mit den Frauen machten, brauche ich dir nicht zu sagen. Ich hatte Glück, weil ich im Wagen saß und mich zunächst hinter einer Kiste verstecken konnte, aber ich wusste, dass sie mich bald entdecken würden, denn sie hackten das Gefährt in Stücke. Es dauerte nur ein paar Augenblicke, da wollten sie schon auf mich einstechen, doch dann kam plötzlich dieser stämmige, fast kahle Mann dazwischen und befahl mir, auf der Fiedel zu spielen. Meine Musik gefiel ihm, das rettete mein Leben, doch wurde ich mitgenommen, um für Unterhaltung zu sorgen. Zunächst hoffte ich auf eine baldige Gelegenheit zur Flucht. Ich bekam mit, was in Bezers geschah, und es überstieg meine schlimmsten Befürchtungen. Als ich hörte, dass ihr Nächstes Ziel Carcassona war, gab ich alle Fluchtpläne auf und machte mich bei Simon de Montfort so beliebt, wie ich nur konnte. Ich wusste, dass du in der Stadt warst, über die sie als Nächstes herfallen würden, und hoffte, dir irgendwie helfen zu können. «
Adelind senkte betreten den Kopf. Sie fühlte sich außerstande, Dank, eine Entschuldigung oder auch gar eine Ablehnung seiner Hilfsbereitschaft auszusprechen, da sie selbst nicht klar sagen konnte, welches dieser widersprüchlichen Gefühle, die sie im Augenblick in verschiedene Richtungen zerrten, schließlich die Oberhand gewinnen würde. Stattdessen richtete sie ihre Aufmerksamkeit auf andere Dinge.
» Was will dieser Simon de Montfort? Den Willen des Papstes erfüllen? « , fragte sie leise. Nun
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