Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
drehte Peyres sich zu ihr um. Die Feindseligkeit war aus seinem Gesicht verschwunden, sie sah nur noch jene Wärme und Klugheit darin, die sie einst zu ihm gezogen hatten.
» Er meint, dies zu tun. Aber in Wahrheit will er hier Macht und Land gewinnen. Er ist bemerkenswert in seiner Geradlinigkeit, seinem Verlangen nach Ordnung. Wer in seinem Dienst steht, lebt nach festen Regeln, und solange er sie einhält, geht es ihm nicht schlecht. Männer wie Simon de Montfort wünschen sich einen Staat, in dem alles mit reibungsloser Ordnung läuft, aber dessen Einwohner so glücklich sind wie Sklaven. «
Adelind umklammerte erneut ihre Knie. Dieser Mann drohte alles zu zerstören, das sie in Languedoc zu lieben gelernt hatte. Gerade wollte sie Peyres fragen, ob er noch irgendeine Möglichkeit sah, dies aufzuhalten, da hörte sie Olivettes aufgebrachte Stimme.
» Los, wir müssen weg! Ich habe Hunde im Wald bellen gehört. Sie sind uns sicher schon auf den Fersen. «
Peyres stand bereits auf den Beinen, als Adelind den Inhalt dieser Botschaft gerade zu erfassen begann. Seine Hand umklammerte die ihre und zerrte sie in die Höhe.
» Meine Schuhe… « , begann sie mit einem hilflosen Blick auf ihre geschundenen Füße.
» Dazu ist jetzt keine Zeit! «
Er rannte los und zog sie hinter sich her, durch den Bach und dann weiter ins Dickicht des Waldes. Steine, spitze Zweige und Baumwurzeln bohrten sich in Adelinds Fußsohlen, doch milderte das Angstgefühl ihr Schmerzempfinden. Sie war sich auch nicht sicher, ob sie in den Schuhen schneller vorangekommen wäre, denn ihre Fersen und Zehen waren nach dem langen Marsch bereits blutig gescheuert gewesen. Als sie sich kurz umdrehte, konnte sie Olivette nirgendwo zwischen den Baumstämmen entdecken. Sie wollte Peyres anschreien, dass er auf ihre socia warten musste, doch hörte sie bereits das Trappeln von Hufen in ihrem Rücken. Weiter und weiter rannte sie, wobei ihre Finger sich nun um Peyres Hand krallten, damit sie ihn nicht verlor. Als sie über eine Wurzel stolperte, riss er sie nochmals hoch und schleifte sie kurz über den Boden, bevor sie endlich auf die Beine gekommen war. Adelind dachte für einen Augenblick an ihr Bündel mit dem Gewand einer Gauklerin. Es war an dem Bach liegen geblieben, und wenn die Männer es fanden, dann wüssten sie endgültig, dass sie auf der richtigen Spur waren. Sie konnte nicht einschätzen, ob dies ihre Lage wesentlich verschlimmerte. Sie rasten einen steilen Hügel hinab, Adelind stürzte erneut und schlug sich ein Knie auf, wurde aber erbarmungslos weitergezogen, bis plötzlich wieder eine Lichtung vor ihnen lag. Peyres schlug einen Haken zu einem Dickicht aus niedrigen Büschen, in das er hineinkroch und Adelind mit sich zerrte.
» Mit ihren Hunden finden sie uns hier sofort « , zischte sie ihm zu, aber er schob sie unerbittlich weiter, bis die Sträucher sie ganz verschluckt hatten. Im ersten Augenblick war sie einfach erleichtert, nicht mehr laufen zu müssen, denn ihre Füße brannten, als stünde sie bereits auf einem Scheiterhaufen.
» Ich bin durchs Wasser gelaufen, damit sie unsere Fährte verlieren. Wir können ihnen zu Fuß nicht entkommen, da bleibt uns nichts anderes übrig als ein Versteck « , sagte Peyres schließlich und drückte Adelind neben sich auf den Boden. Zweige stachen in ihr Gesicht, ihren Bauch und ihre Beine. Einige davon waren mit Dornen besetzt und kratzten Blut aus ihrem Körper, doch spürte sie nur sein Rieseln über ihre Haut, denn die Angst betäubte sie zu sehr, um den Schmerz fühlbar werden zu lassen. Das Trappeln der Hufe kam näher, und bald schon hatten drei Reiter sich auf der Lichtung versammelt. Fünf Hunde sprangen bellend um die tänzelnden Beine der Pferde herum. Adelind spürte ihren eigenen Herzschlag als Trommelwirbel in den Ohren, erwartete, dass jeden Augenblick eines der Tiere mit gefletschten Zähnen auf sie zugerannt käme, doch als die muskelbepackten Tiere sich wieder in Bewegung setzten, rasten sie kläffend in den Wald zurück. Die Reiter stoben hinterher.
» Olivette muss noch im Wald sein « , flüsterte Adelind Peyres zu. » Vielleicht haben die Hunde ihre Fährte gewittert. «
Er schwieg eine Weile, legte aber einen eisernen Arm um Adelinds Taille, sodass sie keine Möglichkeit hatte, aus dem Gebüsch zu kriechen, während das Geräusch der Hufe langsam verstummte.
» Es tut mir schrecklich leid « , flüsterte er dann in ihr Ohr. » Aber wenn sie gefangen wird, dann
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