Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
den Weg ins nächste Dorf finden. Wir können aber nicht lange auf sie warten. «
Adelind lehnte sich gegen einen Baumstamm und schloss die Augen.
» Du glaubst nicht wirklich, dass sie ihnen entkommen ist, nicht wahr? Sonst würdest du trotz der Gefahr nach ihr suchen, anstatt sie einfach ihrem Schicksal zu überlassen. «
Peyres antwortete lange nicht, löschte nur das Feuer, denn obwohl die Nacht frisch werden konnte, sah er es wohl als zu gefährlich an, die Flammen brennen zu lassen. Dann spürte sie plötzlich eine Berührung an ihrer Schulter, blickte auf und sah ihn neben sich am Baumstamm lehnen.
» Es tut mir wirklich leid um Olivette « , unterbrach er ihr langes niedergeschlagenes Schweigen. » Ich hoffe, sie schwört ab. Als Geisel kann sie ihnen sehr nützlich sein, warum sollten sie sie töten? «
Adelind begann zu zittern, sie wusste nicht, ob es an der aufziehenden Frische oder ihrer völligen Erschöpfung lag.
» Es war meine Aufgabe, auf sie aufzupassen, ebenso wie auf Hildegard « , sprach sie ihre Gedanken aus. » Ich wurde Ursannes älteste Tochter genannt, nach ihrem Tod war ich die Leiterin der domus. Aber ich habe gänzlich versagt. Hildegard konnte ich nicht helfen, aber durch mein dummes Benehmen habe ich uns noch bei der Flucht aufgehalten, sodass sie jetzt Olivette festnehmen konnten. «
Peyres legte seinen Arm um ihren Rücken. Diesmal war es kein beherrschender Griff, nur ein tröstendes Spenden von Wärme.
» Du hast uns doch nicht aufgehalten. Dein Benehmen war völlig verständlich. Wahrscheinlich wurden die Ritter gleich nach eurem Verschwinden aus dem Verlies losgeschickt. Deshalb waren sie so schnell hier. Der Mann aus dem Dorf hätte ein paar Tage gebraucht, um nach Carcassona zu kommen und uns zu verraten. Aber ich fürchte, wir können niemandem mehr trauen, vor allem, weil mein Gesicht überall auffällt. «
Adelinds Kopf sank auf seine Schulter.
» Wie sollen wir uns denn ganz allein durchschlagen, ohne fremde Hilfe? «
Er zog sie enger an sich. Eine leise Stimme in ihrem Kopf mahnte, dass dies unangebracht war, aber Adelind brachte sie zum Verstummen, denn sie wollte jetzt nicht mehr allein mit ihren Gedanken, ihrem Schmerz und ihrer Verlorenheit sein.
» In zwei oder drei Tagen haben wir das Gebiet des Comte de Foix erreicht. Dort sollten wir einen Burgherrn oder den Vogt eines Dorfes um Schutz bitten. Drei Kreuzritter werden da nicht viel ausrichten können, und das Heer ist noch in Carcassona « , flüsterte Peyres ihr ins Ohr. Sie hatte fast vergessen, wie wohl es tat, die Wärme eines menschlichen Körpers zu spüren, legte ihre Arme um seinen Nacken und ließ seinen Bart an ihrer Wange kratzen, da er sich in den letzten Tagen nicht so gründlich hatte rasieren können, wie es sonst seine Art war. Der Kuss kam von selbst, als wüssten ihre Körper noch, wie einfach sie früher zueinandergefunden hatten, und handelten aus einem inneren Gedächtnis heraus. Bald schon lagen sie eng umschlungen auf dem Waldboden, schoben das raue Leinen der Bauernkittel zur Seite, um einander wieder so spüren zu können wie damals auf einer Wiese in der Nähe von Dun.
» Wie dünn du geworden bist « , murmelte Peyres fast besorgt in ihr Ohr. » Gaben sie euch in dem Verlies nicht genug zu essen? «
» Es waren schon die Fastenzeiten vorher, die mich haben abmagern lassen « , erwiderte sie, vermied es sorgsam, seinen verletzten Arm zu berühren, ertastete aber ein paar Narben auf seiner Haut, die vielleicht von der Gerte des Ritters damals in Fanjau stammten. Es war erstaunlich, dass sie immer wieder den Weg zueinandergefunden hatten, ganz gleich, wie sehr es vermieden werden sollte. Sie selbst begann den Stoff an seiner Bruche zu lösen und nahm ein kurzes Flackern von freudigem Staunen in seinen Augen wahr. Über ihnen verdunkelte sich langsam der Himmel, und die Bäume warfen lange Schatten, wie um sie vom Rest der Welt abzuschirmen. Adelind hatte lange den Tod im Nacken gespürt, war von Angst, enttäuschter Hoffnung und Verzweiflung zermürbt worden. Nun sehnte sich jede Faser ihres Körpers nach Leben, und sie stieß einen Schrei der Freude aus, als Peyres ihre Schenkel auseinanderschob und ihr einen längst vergessen geglaubten Rausch schenkte.
Die Sonnenstrahlen drangen nur vereinzelt durch das Dickicht von Ästen über ihnen, um ein Muster aus hellen Flecken auf Peyres’ braune Haut zu malen. Adelind streckte eine Hand nach seinem nackten Arm aus, der ein Stück
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