Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
Kopf herrschte völlige Unordnung, und sie hatte keine Ahnung, was sie ihm nun sagen wollte, außer dass sie auf seine Gegenwart nicht verzichten mochte.
» Es tut mir leid « , brachte sie nach einer gefühlten Ewigkeit des Schweigens hervor. » Es ist so vieles unglücklich verlaufen zwischen uns. Zunächst war es eine Lüge meiner Schwester. Wärest du zur Stelle gewesen, als ich davon erfuhr, wäre ich tatsächlich auf der Stelle mit dir verschwunden. «
Sie sah sein Gesicht zucken, und zum ersten Mal wurde ihr bewusst, dass es ihn schmerzen musste, von dieser versäumten Gelegenheit zu hören.
» Aber Hildegards Tod hat alles verändert « , fuhr sie daher schnell fort. » Ich bin es ihr schuldig, einer Kirche treu zu bleiben, für die sie gestorben ist. Selbst wenn ich dabei nicht glücklich werde, so könnte ich es auch niemals sein, wenn ich ihre Wünsche missachte. «
Sie richtete sich auf dem Bett auf und sah ihm gerade in die bernsteinfarbenen Augen, aus denen nun aller Zorn entwichen war. Nur Tränen schwammen darin, die er verlegen fortwischte. Adelind hätte ihn gern umarmt, doch fürchtete sie, den unvermeidlichen Abschied dadurch für sie alle beide noch schwerer zu machen. Nun hatte sie endlich selbst begriffen, wo ihr Platz in dieser Welt war, und vermochte ruhiger zu atmen.
» Ich verstehe « , sagte Peyres schließlich leise. » Ich habe deine Schwester niemals besonders gemocht, jetzt hätte ich Grund genug, sie zu hassen, aber ich verstehe. «
Er reichte ihr noch einmal die Hand. Adelind ergriff sie und wurde von dem Wunsch befallen, ihn einfach nicht mehr loszulassen.
» Du kommst doch sicher einmal nach Montsegur « , drängte sie, doch er schüttelte nur den Kopf, als er seine Hand wieder zurückzog.
» Ich glaube nicht. Es wäre nicht gut für uns beide. Ich wünsche dir Glück, Adelind, und leb wohl. «
Sie fuhr zusammen, als die Tür hinter ihm zufiel, und ihre Hände legten sich wie von selbst auf ihren Bauch. Er würde sicher wieder zurückkommen, wenn sie ihm von dem Kind erzählte, dachte sie und verwarf den Gedanken sogleich. Wenn sie nicht bereit war, ihm zu folgen, dann sollte sie ihm wenigstens seine Freiheit lassen.
Eine Weile dämmerte sie mit halb geschlossenen Augen auf dem Bett dahin. Manchmal flossen Tränen über ihre Wangen, aber der Schmerz änderte nichts an ihrer Entschlossenheit. Es tat wohl, wieder ein Ziel vor Augen zu haben. Als sie das Trappeln von Schritten im unteren Stockwerk vernahm und Olivettes Stimme die Mädchen zum Unterricht rufen hörte, stand sie langsam auf.
Jetzt war Esclarmonde vermutlich allein.
» Es gibt etwas, das ich Euch sagen muss, Dòna. «
Esclarmonde musste vor dem Kaminfeuer eingenickt sein, denn sie zuckte leicht zusammen. Adelind entschuldigte sich verlegen und knickste. Das Gesicht der Gräfin wandte sich ihr zu. Im Licht der Flammen wirkte es immer noch eingefallen und müde.
» Setz dich, Adelind. Du störst mich nicht. Ich glaube, ich habe mich noch nicht bei dir bedankt, dass du mir meine Tochter heil und gesund zurückgebracht hast. «
» Eure Tochter hat sich auch alleine gut durchgeschlagen « , erwiderte Adelind und stellte erleichtert fest, dass tatsächlich kein Stachel von Neid mehr in ihrer Brust steckte. Sie nahm auf einem Hocker in der Nähe der Gräfin Platz und versuchte, jene Worte wiederzufinden, die sie sich auf dem Weg hierher mühsam zurechtgelegt hatte.
Die Gräfin hüstelte zunächst, dann erschütterte ein neuer Anfall ihren Körper. Adelind brachte ihr rasch einen Becher Honigwasser aus einer Karaffe, die auf dem Tisch neben dem Kamin stand. Während Esclarmonde trank, legte sie eine besorgte Hand auf ihre Stirn.
» Ihr habt wieder Fieber! «
» Ich weiß « , sagte die Gräfin nur. » Es kommt und geht. Der Husten plagt mich schon seit Jahren. Ich fühle, wie ich immer schwächer werde, und bin froh, Menschen wie dich, Biatris und nun auch meine Tochter hier zu wissen, die sich weiter um das Wohl unserer Kirche kümmern werden. «
Adelind sank wieder auf ihren Hocker und knetete die Hände ineinander.
» Dòna, ich habe ein schweres Vergehen begangen. Ich… ich erwarte ein Kind. Und es wurde nicht gegen meinen Willen gezeugt. «
Sie atmete tief durch. Zum ersten Mal hatte sie ihren Zustand mit den dafür üblichen Worten beschrieben, und ihr war leichter ums Herz. Gebannt richtete sie ihren Blick auf das Gesicht der Gräfin. Es sah weiterhin erschöpft aus, kein Zorn brannte in den braunen
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