Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
einer domus können auch Kinder aufwachsen. Das geschieht oft. Aber sprich mit der Gräfin, denn du wirst ihre Unterstützung brauchen. «
Adelind hätte Biatris vor Dankbarkeit umarmen können, denn auf einmal schimmerte ein Lichtstrahl in das finstere Loch, wohin sie gefallen zu sein glaubte.
» Ich danke dir für deine Hilfe. Sobald Esclarmonde Zeit für mich hat, werde ich mit ihr reden « , versicherte sie und ging wieder ins Haus zurück. Sie war nun entschlossen, dieses Gespräch baldmöglichst hinter sich zu bringen, bevor aller Mut, den Biatris ihr geschenkt hatte, sich wieder verflüchtigte. Zielstrebig stieg sie die Stufen zu Esclarmondes Gemach hoch, um dort wieder einmal Olivettes Stimme zu vernehmen. Adelind erwog, dennoch anzuklopfen, doch verließ sie im letzten Augenblick der Mut. Obwohl sie in Esclarmonde stets eine kluge und verständnisvolle Frau gesehen hatte, war es dennoch schwer genug, ihr eine derart schwere Sünde zu gestehen. Vor einem jungen Mädchen, dem sie selbst lange als Lehrerin und Vorbild gedient hatte, vermochte sie es einfach nicht.
So schlich sie langsam weiter zu der Kammer, die sie nun mit Biatris teilte, um dort eine Weile in Ruhe nachzudenken. Glücklicherweise waren die noch verbliebenen Mädchen alle im Gemeinschaftsraum beschäftigt, sodass sie ungestört an ihr Ziel gelangen konnte, aber vor der Eingangstür wurde ihr der Weg von einer hohen Gestalt mit dunklen Locken versperrt.
» Ich wollte mich von dir verabschieden, Adelind « , sagte Peyres mit gesenktem Blick. Sie trat an ihm vorbei und schob die Tür auf.
» Komm herein. Wir fallen auf, wenn wir hier draußen stehen « , flüsterte sie, denn die Mädchen konnten jederzeit aus dem Gemeinschaftsraum kommen. Er folgte ohne Zögern. Adelind schloss die Tür hinter ihnen. Dann standen sie eine Weile stumm da, denn es gab nur ein Bett als Sitzgelegenheit, das keiner von beiden zu nutzen wagte.
» Ich werde weiterziehen « , erklärte Peyres schließlich. » Für mich gibt es hier keine Verwendung mehr, denn ich gehöre nicht zu den Bonòmes. «
Eine unsichtbare Hand zwängte Adelinds Kehle zusammen. Sie hatte Peyres zwar in den letzten Wochen gemieden, doch wenn er nun ganz aus ihrem Leben verschwand, dann wurde es dadurch deutlich finsterer.
» Du könntest doch… ich meine, du könntest uns nach Montsegur begleiten « , schlug sie vor. Die Vorstellung, noch ein paar Wochen an seiner Seite verbringen zu können, schenkte ihr tiefe Erleichterung, doch er schüttelte den Kopf.
» Du wirst es allein schaffen. Hier sind noch keine Kreuzritter unterwegs. Bis jetzt nicht. Du musst dich beeilen, das ist alles. «
Adelind schluckte.
» Es wäre mir lieber, wenn du mitkommst. «
Er trat einen Schritt zurück.
» Du hast mich all die Jahre nicht gebraucht. Warum jetzt auf einmal? Ich bin kein Hund, nach dem du pfeifen kannst, wenn du dich gerade langweilst. «
Sie hatte das Gefühl, geohrfeigt worden zu sein, und straffte die Schultern.
» Ich bedauere es, wenn du so empfindest. Ich wollte nur deine Unterstützung, nichts weiter. Wenn du möchtest, kannst du nun gehen. «
Er packte ihren Arm so heftig, dass es schmerzte. Wieder funkelten seine Augen, obwohl sie geglaubt hatte, er hätte seinen Jähzorn inzwischen überwunden.
» Ich wollte dir viel mehr geben als nur meine Unterstützung. Du warst die Frau, die ich mir als Gefährtin wünschte, und bist es immer noch. Aber ich bekomme von dir nicht mehr als ein paar Almosen, und die genügen mir nicht. «
Als Adelind wütend nach Luft schnappte, wurde sie auch schon losgelassen und ein Stück weggestoßen, sodass sie nun doch auf das Bett fiel. Noch einmal flackerte der Zorn in Peyres’ Augen auf, dann senkte er wieder den Blick.
» Ich hoffe, du hast dir nicht weh getan « , murmelte er. Adelind fuhr auf.
» Es geht mir hervorragend, keine Sorge « , entgegnete sie spitz und sah, wie Peyres sich zum Gehen wandte. Ihre Arme hoben sich von selbst, um ihn zurückzuhalten, doch hatte er ihr bereits den Rücken zugewandt.
» Warte! « , rief Adelind und schämte sich, weil es wie ein Winseln klang. Sie atmete tief durch, um wieder Ruhe zu finden. Einen zweiten Abschied im Bösen wollte sie nicht hinnehmen.
» Nun? «
Peyres sah sich ratlos in der kleinen Kammer um, bis er endlich eine Truhe fand, auf die er sich setzen konnte. Alles an ihm schien zu groß und zu freizügig für diesen winzigen Raum. Adelind fuhr sich mit der Hand über die Stirn. In ihrem
Weitere Kostenlose Bücher