Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
erklangen, während auch Adelind ihr Lied mangels musikalischer Begleitung unterbrach. Ihr wurde bewusst, dass sie sich nun im Herzogtum Burgund befanden, wo Französisch gesprochen wurde. Peyres antwortete mit ehrfürchtig gesenktem Haupt, dann winkte er sie zu sich.
» Du warst wirklich gut « , sagte er anerkennend. » Der Bischof Nantelmus fand Gefallen an deinem Gesang. Er lädt uns alle in seinen Palast, damit wir ihn beim Mittagsmahl unterhalten. «
Adelinds eben noch aufgeregter Herzschlag schien für einen Augenblick auszusetzen. Sie bemerkte das freudige Leuchten in Peyres’ Gesicht, aber ihr eigener Magen verkrampfte sich. Ihr wurde bewusst, dass sie den Vertretern der Kirche nicht mehr vertraute, doch war es kaum möglich, das Angebot auszuschlagen.
Bald darauf stand sie in einem großen Saal, der von Wandbehängen geschmückt und durch zahllose Kerzen erhellt wurde. Mehrere Kohlenbecken sorgten für wohlige Wärme, die Adelinds Glieder allmählich auftauen ließ. Es tat so gut, beim Gesang nicht mehr zu frieren. Sie gab nochmals ihr Stabat Mater zum Besten, dann folgten ein paar weltliche Lieder, die sie mit Peyres eingeübt hatte. Marcia unterhielt indessen einige der Wachmänner mit ausgelassenem Geplauder, doch fügte sie sich Peyres’ Entscheidung, nicht als Sängerin aufzutreten. Adelind bemerkte, dass auch etliche der Kleriker neugierige Blicke auf die hübsche Gauklerin warfen. Vielleicht schätzte Peyres den Geschmack von Kirchenfürsten völlig falsch ein, überlegte sie, doch war dies nicht der Moment, um es mit ihm zu besprechen.
Bischof Nantelmus schien die Darbietung zu gefallen. Er neigte den kugelrunden Kopf, nippte an seinem Weinpokal und gab ein zufriedenes Brummen von sich. Die anderen Kleriker stimmten sogleich ein. Schließlich durften alle Gaukler sich am Ende seiner Tafel niederlassen, wo köstlich duftende Speisen dargeboten wurden. Adelind vergaß ihre Bedenken für einen Moment. Wie lange war es doch her, dass sie guten Wein und knusprig gebratenes Fleisch hatte zu sich nehmen können? Kauend überließ sie sich den Empfindungen ihres Gaumens, ohne weiter auf die Umgebung zu achten. An ihrer Seite hörte sie Hildegard mit Antonius plaudern. Simon nagte an einem Brotlaib. Peyres saß ihr gegenüber neben Marcia, deren munteres Kokettieren er aus den Augenwinkeln beobachtete, ohne eine Miene zu verziehen. Alles schien höchst friedlich zu verlaufen. Adelind überlegte bereits, ob der Bischof ihnen vielleicht ein Lager für die Nacht anbieten würde, da vernahm sie plötzlich eine unangenehm laute Stimme, die korrekt auf Deutsch sagte:
» Warum isst dieses Mädchen kein Fleisch? «
Sie verspürte Hildegards Erstarren an ihrer Seite und ließ den Hühnerschenkel, von dem sie gerade abgebissen hatte, sinken. Die Frage war eindeutig von einer Männerstimme gestellt worden, es gab keine Hoffnung, dass Marcia sie ausgesprochen hatte. Adelind spürte Blicke auf sich ruhen. Fast alle der versammelten Kleriker starrten nun auf Hildegard und dadurch indirekt auch auf sie. Gerade wollte sie zu einer Erwiderung ansetzen, um die Schwester in Schutz zu nehmen, da sah sie Hildegards zarte Hand nach einem riesigen Rehbraten greifen, um ein Stück davon abzureißen.
» Vergebt mir, Hochwürden, wenn ich Eure Gastfreundschaft nicht gewürdigt habe « , sagte Hildegard mit zwar leiser, aber dennoch hörbarer Stimme. » Mir schien, dass ein gewöhnlicher Mensch wie ich nicht würdig ist, von den erlesensten Speisen zu kosten. «
Dann war es wie damals im Kloster. Sie biss zu, kaute kaum und schluckte schnell, während ihr Tränen des Widerwillens in die Augen schossen. Adelind legte ihre Hand unter dem Tisch auf Hildegards Schenkel, um Trost und auch Anerkennung auszudrücken. Manchmal verhielt die Schwester sich unerwartet vernünftig.
» Niemand wollte dich rügen, Mädchen « , sagte auf einmal Bischof Nantelmus in einem seltsam klingenden Deutsch. » Doch es ereignen sich Dinge in der Welt, von denen du nichts verstehst. Die Häresie greift immer weiter um sich. «
Hildegard achtete kaum auf seine Worte, doch Adelind fuhr auf.
» Weshalb sollte es denn Ketzerei sein, wenn ein Mensch nicht willens ist, andere Geschöpfe Gottes zu verzehren? «
Kaum waren die Worte aus ihrem Mund geschlüpft, erstarrte sie vor Schreck. Hildegard war ebenso versteinert, während Peyres seinen Blick auf Adelind richtete. Sie sah keinen Zorn darin, nur Staunen und eine gewisse Anerkennung.
Eine Weile war
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