Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
Vom Netzwerk:
noch Laute in einer fremden Sprache, die sie mühsam zu erlernen begann. Hildegard wurde von Antonius unterrichtet und gab das neue Wissen an sie weiter. Als sie Monpeslier erreichten, waren die Tage bereits angenehm warm geworden, und auf den Wiesen sprossen die ersten Blüten aus noch kargem Gras. Die Stadt wirkte kleiner als Köln, Straßburg oder auch Genf, doch machte sie es durch reges Treiben und auffällig fremdartige Gäste wett. Adelind sah erstmals Menschen, deren Hautfarbe an Peyres erinnerte, doch trugen sie ungewohnte Kleidung. Tücher waren wie Schlangen auf ihren Köpfen zusammengerollt, und der schneeweiße Stoff ihrer Kutten ließ ihre Gesichter noch dunkler wirken. Sie zogen mit völliger Selbstverständlichkeit durch die Straßen, boten auf Marktplätzen Waren an, wie Adelind sie nie zuvor gesehen hatte. Prächtig leuchtende Stoffballen, Gewürze, deren Gerüche einem verlockend in die Nase stiegen und Träume von weit entfernten Ländern weckten, ebenso kunstvoll verzierte Pokale aus Bronze und baumelnde, mit bunten Steinen besetzte Geschmeide. Sie vermochte ihren Blick kaum von den Verkaufsständen abzuwenden und ertappte sich wieder bei der Sehnsucht, edle Stoffe auf ihrem eigenen Körper zu spüren. Hildegard spähte ebenfalls mit weit aufgerissenen Augen aus dem Wagen.
    » Das sind Ungläubige « , flüsterte sie. » Muslime. Antonius hat erzählt, dass sie hier geduldet werden. Monpeslier ist ein wichtiges Handelszentrum. Außerdem gibt es Schulen der Medizin. Auch Juden dürfen dort unterrichten, kannst du dir das vorstellen? «
    Eine Mischung aus Entsetzen und Bewunderung lag in ihrer Stimme. Auch Adelind war klar, dass Mutter Mechtildis ein derart selbstverständliches Beisammensein mit Menschen anderer Glaubensrichtungen höchst empörend gefunden hätte. Sie waren beide dazu erzogen worden, ebenso zu denken. Doch nun, da sie dieses bunte, schillernde Treiben sah, fremde Düfte einsog und ihren Blick nicht für einen Moment abwenden konnte, da sie fürchtete, etwas Aufregendes könne ihr entgehen, da überkam sie ein durchaus angenehmes Gefühl entspannter Schwerelosigkeit.
    Der Karren kam auf einem Platz zum Stillstand, wo mehrere Weinschenken standen und bereits etliche Gaukler ihr Können vorführten. Adelind entdeckte immer mehr Exotisches an diesem Ort der Wunder. Vögel mit gekrümmten Schnäbeln wurden in allen Farben des Regenbogens zum Verkauf angeboten. Sie kreischten, sangen und krächzten auf eine kraftvoll schrille Art, die sie bei einheimischen Artgenossen nicht kannte. Haarige, kleine, verwirrend menschenähnliche Wesen, die sogar Kleidung trugen, kauerten auf den Schultern dunkelhäutiger Spielmänner. Manchmal sprangen sie zur Erheiterung von Zuschauern herum, vollführten Handstände und liefen dann mit einem Beutel herum, um Münzen einzusammeln. Eine dieser Kreaturen vermochte gar die Trommel zu schlagen.
    Hinzu kamen die üblichen Sänger und Musikanten, Feuerschlucker, Akrobaten und Wahrsager. Dicht neben ihr schlug ein kleinwüchsiger Mann in grell bunter Kleidung so plötzlich aus dem Stand einen Purzelbaum in der Luft, dass Adelind erschrocken zusammenfuhr. Tiefe und hohe Stimmen wetteiferten miteinander, eine Melodie verdrängte die andere zu einer Kakophonie aus Tönen. Adelind schienen diese Darbietungen weitaus beeindruckender als alles, was sie bisher gesehen, geschweige denn selbst vollbracht hatte.
    Sie beobachtete eine dunkelhäutige Tänzerin. Ein Schleier verbarg die untere Hälfte ihres Gesichts, doch der Rest ihres Körpers war nahezu entblößt, denn nur Busen und Unterleib wurden von seidig fallenden Tüchern bedeckt. Sie ließ ihre Hüften zu einem Trommelwirbel erzittern, wodurch sie die Aufmerksamkeit aller umstehenden Männer ausnahmslos fesselte. Auch Adelind konnte ihren Blick nicht abwenden, denn die fließende Leichtigkeit dieser aufreizenden Bewegungen weckte die Sehnsucht nach etwas, das sie nicht zu benennen vermochte. Sie hatte bisher nicht geahnt, dass Sünde so schön sein konnte.
    Während Peyres entschlossen nach einem freien Flecken in diesem Getümmel suchte, wurde ihr bewusst, dass sie ebenfalls auftreten sollten. Diese Erkenntnis dämpfte schlagartig ihre Begeisterung. Vielleicht wäre es klüger gewesen, im Land des Frosts zu bleiben, denn neben der halb nackten Tänzerin wirkte selbst Marcia blass und langweilig.
    Die Gauklerin trat auch nicht auf, sondern mischte sich sogleich unter die Besucher des Jahrmarkts, vermutlich, um

Weitere Kostenlose Bücher