Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
nicht mehr so wohl gefühlt wie an diesem Ort.
Am nächsten Tag drängte Peyres bereits im Morgengrauen zum Aufbruch. Dun war nicht mehr weit, meinte er, aber sie würden durch bergiges Gelände fahren müssen, wo man nicht so schnell vorankam. Adelind nahm schweren Herzens Abschied von Margarete, die ihr anbot, jederzeit zurückkommen zu können, denn Rogièr Malbruits Haus stand allen Menschen offen. Adelind wäre am liebsten sogleich geblieben, denn kein Ort, den sie bisher gesehen hatte, schien ihr so voller verlockender Möglichkeiten wie Monpeslier. Dennoch bestieg sie zusammen mit Hildegard den Wagen. Die Schwester wollte nun vermutlich bei Antonius bleiben, erwog Adelind, fragte aber nicht. Es schien selbstverständlich geworden zu sein, dass sie beide mit der Truppe weiterzogen.
Der Wagen schlängelte sich schmale, steile Pfade entlang, die durch bewaldetes Bergland führten. Die Luft wurde wieder kühler, doch schmeckte sie angenehm frisch. Eine Herde wilder Ziegen galoppierte vor ihnen dahin, Stummelschwänze hüpften auf und nieder wie die Bälle eines Gauklers. Auf den Wiesen brachten die ersten Blüten Farbe in die karge Landschaft. Nach der bunten Enge von Monpeslier genoss Adelind die Fahrt ins Gebirge. Das Herumreisen war keine schlechte Art zu leben, befand sie, solange das Wetter Erbarmen mit den Reisenden zeigte.
Um die Mittagszeit verzehrten sie ein Mahl aus geräucherter Forelle, Brot und Obst, das Margarete ihnen mitgegeben hatte. Dann setzten sie die Reise fort. Als die Sonne mit wild rotem Glühen hinter dem Bergmassiv zu verschwinden begann, verlor die Berglandschaft ihre heitere Frische, und der Wind wurde beißend kalt. Die Planen des Wagens mussten zugezogen werden. Adelind vermeinte, in der Ferne das Heulen von Wölfen zu vernehmen, und begann sich nach sicheren Steinmauern zu sehnen.
Eben in diesem Moment tauchten sie auch auf. Vor den finsteren Bergen ragte ein Gebäude von ähnlicher Farbe auf, doch zeugten ebenmäßige Zinnen und glatte Mauern davon, dass es von Menschenhand errichtet worden war. Mit Erleichterung bemerkte Adelind, dass Peyres den Wagen zum Stillstand brachte, dann loslief, um gegen das Eingangstor dieser Burg zu klopfen. Nach einem endlosen Augenblick öffnete sich ein winziges Türchen. Wortwechsel erklang. Wieder verging eine gefühlte Ewigkeit, bis das Eingangstor knarrend aufschwang, um ihnen Sicherheit für die Nacht anzubieten.
Ein schlichter, schmutziger Burghof tat sich auf, auf dem noch ein paar Menschen zwischen Hühnern und Schweinen herumliefen. Anders als in Monpeslier konnte eine Gauklertruppe hier allein durch ihr Erscheinen für Aufsehen sorgen. Peyres sprang vom Kutschbock und begann sogleich, mit einem beleibten grauhaarigen Mann zu verhandeln. Aufgrund der schlichten Kleidung handelte es sich wohl nicht um den Burgherrn, aber er schien über Autorität zu verfügen, denn auf seine Anweisung hin wurde der Wagen in einen überdachten Unterschlupf an der Burgmauer gebracht. Die restlichen Gaukler kletterten heraus. Adelind fröstelte und sah auch Hildegard leicht zittern. Mit Erleichterung folgten sie der Aufforderung des Burgverwalters, betraten einen weiteren, kleineren Innenhof, wo das Vieh und seine Hüter keinen Zutritt mehr hatten, um schließlich in einem großen Steinbau zu verschwinden.
Vermutlich konnten die Wände Wölfe aussperren, aber keine Kälte, denn eisiger Wind fegte durch den kleinen Eingangsraum. Dann ging es ein paar Stufen hoch. Die Wärme von Feuerstellen wehte ihnen entgegen, verbunden mit Rauch, der in den Augen biss. Adelind versuchte, ihn wegzureiben, doch löste sie dadurch nur noch heftigeres Brennen aus. Als sie einen großen, mit Kerzen erleuchteten Saal betraten, vermochte sie fast nichts mehr zu sehen.
Neben ihr fielen die anderen Gaukler auf die Knie, also folgte sie diesem Beispiel. Allmählich bekam die Umgebung wieder klare Formen, auch wenn dieser Anblick durch ständiges Blinzeln unterbrochen wurde. Der Saal war mittelgroß, wies außer ein paar Fackeln, die in Ringen an den Wänden hingen, kaum Verzierungen auf. Die Versammelten waren hauptsächlich männlichen Geschlechts und mussten bereits ausladend gezecht haben, denn einige Köpfe lagen schnarchend auf dem Holz der Tafel. Auf einem kleinen Podest am Ende des Raumes befanden sich zwei weitere Menschen. Ein grauer Bart und tiefe Furchen markierten das Gesicht eines Mannes, dessen roter Umhang mit Pelzbesatz ihn als Burgherrn kenntlich machte. An
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