Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
glücklich bei diesem Heiden, aber meine Mutter war es auf Dauer nicht. Warum sie ihn verließ, habe ich niemals erfahren, denn ich war noch zu jung, um diese Dinge zu begreifen. Sie versuchte sich als Spielfrau durchzuschlagen, aber es gelang ihr nicht, denn eine Frau ist allein völlig schutzlos in dieser Welt. Zudem war sie wieder schwanger. So kehrte sie schließlich nach Dun zurück, um ihre Eltern um Vergebung zu bitten. «
Adelind überkam eine ungute Ahnung.
» Sie verziehen ihr nicht « , stellte sie fest, doch Biatris schüttelte den Kopf.
» Sie verziehen ihr, obwohl der Dorfpfarrer zeterte, von Sünde und ewiger Verdammnis sprach. Meine Mutter war willens, sich allen Auflagen der Buße zu fügen. Aber dann kam Peyres auf die Welt. Er war so dunkel als Säugling, mehr noch als heute. Seine Haut hatte die Farbe nasser Erde. Der Dorfpfarrer nannte ihn ein Kind Satans und riet, ihn auf der Stelle zu töten, um das Dorf vor dem Zorn Gottes zu bewahren. Meine Mutter rettete ihn, indem sie wieder davonlief. Mich wollte sie bei den Großeltern lassen, aber ich hatte meinen eigenen Kopf und folgte ihr. Wieder lebten wir auf der Straße. Meine Mutter wanderte von Ort zu Ort, von Mann zu Mann. Und dann starb sie eines Tages am Straßenrand an einem Fieber. Ich konnte sie nicht einmal begraben, ich war erst zwölf, ausgehungert und zu schwach, um ein Loch in die Erde zu buddeln. «
Biatris verstummte kurz und vergrub ihr Gesicht in den Händen. Adelind hob die Hand, um ihr sanft über den Rücken zu streichen. Sie hatte nicht damit gerechnet, eine derart bewegende Geschichte zu hören.
» Was hast du dann getan? Hat die Gräfin dir geholfen? «
» Nein, nicht sofort. Eine Gauklertruppe zog vorbei und nahm mich gemeinsam mit Peyres auf. Ich lernte, mich vor Zuschauern zu biegen, bis mir fast die Knochen brachen, zu betteln und auch andere Dinge zu tun, als ich etwas älter wurde. Ich war dabei nie so geschickt wie Marcia, denn der macht es Freude, Männer um den Finger zu wickeln. Und sie kann es so unglaublich gut! «
Kurz blitzte ein fremdes, keckes Wesen in Biatris’ Augen auf, dann wurde sie wieder ernst.
» Mir war ein solches Leben zuwider, aber wenn ich mich weigerte, setzte es Hiebe. «
Adelind wurde klar, wie viel Glück sie gehabt hatte, an Peyres zu geraten, denn er hatte niemals etwas von ihr oder Hildegard verlangt, das sie nicht hatten tun wollen.
» Eines Tages hielt ich es nicht mehr aus und tat, was meine Mutter immer getan hatte « , erzählte Biatris weiter. » Ich lief davon, gemeinsam mit meinem Bruder. Wir schafften es bis nach Narbona, wo ich als Gauklerin auftrat, bettelte und mich schließlich aus Verzweiflung Männern anbot. Gleich der erste packte mich und tat mit mir, was ihm gefiel, ohne mich zu entlohnen. Ich fühlte mich elender als jemals zuvor in meinem Leben, stand am Ufer des Kanals, der von der Stadt zum Mittelmeer führt, und überlegte, ob ich nicht in seinen Tiefen Erlösung von diesem Leben finden könnte. Ohne das Wissen um meinen kleinen Bruder hätte ich es sogleich getan, aber ich zögerte, und schließlich kam ein schwarz gekleideter Prediger, der mich ermahnte, meine Seele nicht ewiger Verdammnis preiszugeben. «
Biatris richtete sich auf und sah Adelind ins Gesicht.
» Ich habe ihn angeschrien. Ich sagte ihm, dass Gott mir mehr zumutete, als ich ertragen konnte, dass ich niemals in meinem Leben eine Wahl gehabt hätte, etwas anderes zu sein als eine Sünderin. Ich rechnete damit, beschimpft und verjagt zu werden, denn so hatte ich die Diener der Kirche kennengelernt. Aber der alte Mann hörte mich in Ruhe an. Dann brachte er mich und Peyres zur Gräfin Esclarmonde. Von ihr lernte ich, die Botschaft Jesu Christi richtig zu verstehen. Ich durfte in das Heimatdorf meiner Mutter zurückkehren, um dort ein Haus zu eröffnen, das Mädchen ein Schicksal wie das meine ersparen soll. «
Sie lächelte und wurde dadurch wieder zu der schlichten, in sich ruhenden Frau, die Adelind kennengelernt hatte.
» Und Peyres? « , fragte sie.
» Er hat die Klugheit seines heidnischen Vaters und die Rastlosigkeit unserer Mutter geerbt. Er will nichts anderes sein als ein Spielmann, das ist seine Leidenschaft. Esclarmonde ließ ihn ziehen. Marcia war eines der Mädchen, denen es hier nicht gefiel. Sie folgte Peyres freiwillig. Aber er braucht eine Frau, die seine Dämonen zum Schweigen bringt, keine haltlose Hure. «
Adelind zog die Schultern zurück.
» Er selbst muss
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