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Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tereza Vanek
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auf ihren Ruf bedacht sein musste. Die Zeit, da sie als Spielfrau mit Männern herumgezogen war, schien erst einmal zu Ende.
    » Ich werde hineingehen und Biatris alles erklären « , bot Peyres sich an. » Warte hier auf mich. Dann besorge ich etwas, das du in den letzten Tagen vielleicht auch vermisst hast. «
    Peyres erschien eine Weile später mit zwei Brotfladen und einem breiten Stück saftigen Schinkens. Er musste ihn im Dorf erworben haben, denn in dem Haus der frommen Frauen waren Adelind keinerlei Fleischvorräte aufgefallen. Dann führte er sie zu einer Wiese am Dorfrand, wo der Mond für ein wenig Helligkeit sorgte, und wies auf einen umgefallenen Baumstamm. Unmittelbar dahinter begann das finstere Reich des Waldes.
    » Wir sollten uns nicht zu weit vom Dorf entfernen, denn es gibt Wölfe und Bären in der Gegend. Aber es wäre auch nicht gut, wenn zu viele Leute etwas von unserem abendlichen Zusammensein mitbekommen. Die Gräfin legt großen Wert darauf, dass ihre Mädchen nicht in Verruf geraten. «
    Er winkte Adelind zu sich, wickelte dann den Schinken aus, um ein Messer vom Gürtel zu ziehen und ihn in feine Scheiben zu schneiden. Allein der Geruch von Fleisch reichte, damit ihr das Wasser im Mund zusammenlief. Das erste Stück verschlang sie wie eine Hungernde, biss dann etwas von dem Fladenbrot ab, um nicht zu gierig zu wirken. Peyres reichte ihr eine lederne Flasche mit Rotwein.
    » Du bist offenbar nicht zur Heiligen geboren. « Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Der feine, spöttische Unterton ärgerte Adelind ein wenig.
    » Es ist doch nicht einmal sicher, dass es eine Sünde ist, Fleisch zu essen. Eure Schwester sagte tatsächlich zu mir, Tiere hätten eine Seele. Aber so steht es nicht in der Bibel. «
    Peyres streckte seine Beine aus. Adelind bestaunte den glatten, fleckenfreien Stoff der hellen Beinlinge und fragte sich, wie er es bei seinem Wanderleben schaffte, stets einem Höfling zu gleichen. Im Mondlicht blitzte der rote Stein an seinem Ohr wie Glut.
    » Ich bin kein Kirchengelehrter « , sagte er. » Wie du weißt, kann ich nicht einmal schreiben. Aber ich habe in meinem Leben so einige Prediger reden hören. Um die Wahrheit zu sagen, so scheint es mir, dass ein jeder von ihnen aus der Bibel eben das herausliest, was er herauslesen will. «
    Kurz fuhr Adelind zusammen, als sei sie von einer Schlange gebissen worden. Auch diese Worte waren Häresie. Doch gleichzeitig kroch ein Kichern aus ihrer Kehle. Vielleicht hatte sie einen zu tiefen Schluck aus der Weinflasche genommen, aber es machte das Leben erstaunlich leicht, die Dinge so gelassen zu sehen wie Peyres.
    » Es ist so « , redete er weiter und bohrte dabei die Absätze seiner Stiefel ins feuchte Gras. » Einige dieser Prediger hier bei uns, sie glauben, dass Seelen wandern können. So hat Biatris es mir erklärt. «
    » Wie wandern sie denn? « Adelind stellte sich im Geiste eine Seele mit festem Schuhwerk und Pilgerstab vor. Wieder musste sie kichern. Trotz besseren Wissens nahm sie an, als Peyres ihr nochmals die Weinflasche reichte.
    » Meine Schwester und ihre Gefährten im Glauben, sie betrachten den Körper als Teufelswerk, als Gefängnis der göttlichen, reinen Seele « , setzte er nun zu einer längeren Erklärung an. » Nur wenn ein Mensch den Weg zu Gott findet, wird sie nach seinem Tod erlöst. Doch lebte er sein Leben nicht gottgefällig, dann wandert die Seele in ein neues Verlies, also einen weiteren Körper. Das kann auch der eines Tieres sein, und deshalb wollen sie keine Tiere töten. «
    Der Sinn dieser Worte ernüchterte Adelind schlagartig. Ihr Verstand schlug Purzelbäume. Sie hatte noch niemals von derartigen Überzeugungen gehört und vermochte ihren gesamten Sinn kaum zu erfassen.
    » Das steht keinesfalls in der Bibel, ganz gleich, wie man sie auslegt « , rief sie schließlich. » Es ist… es ist reine Häresie. Ich kann mir kaum vorstellen, dass Menschen irgendwo auf der Welt an solche Dinge glauben. «
    » Sie tun es aber « , entgegnete Peyres und ließ wieder seine weißen Zähne aufblitzen. » Ich wollte niemals Tiere für Auftritte dressieren, weil ich zu oft gesehen habe, auf welche Weise dies geschieht. Man hält Bären glühende Kohlen unter ihre Tatzen, damit sie das Tanzen lernen. Schläge, Hunger, Tritte, dadurch wird ein Tier zum Gaukler erzogen. In seinen Augen sieht man zunächst Zorn, dann immer mehr Furcht, bis der Blick schließlich völlig stumpf wird. Sie vergessen

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