Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
nicht ihre Art, Mächtigen zu schmeicheln, doch Esclarmonde wirkte Ehrfurcht gebietend, dabei gleichzeitig völlig aufrichtig in ihrem Glaubenseifer. Es konnte nicht Gottes Wille sein, dass eine solch fähige Frau sich halb zu Tode hungerte.
» Ich danke dir für deine Nachsicht, Adelind. Rosa mahnte mich, als angehende Perfacha strenger zu fasten « , meinte Esclarmonde auf einmal mit einem feinen Lächeln in ihrem Gesicht, das keinerlei Aufschluss darüber gab, ob sie dieses dreiste Verhalten erzürnt hatte oder nicht. Adelind fuhr erschrocken zusammen, doch war sie nicht wirklich überrascht. Es sah Rosa ähnlich, sich derart respektlos zu zeigen, wenn es um Glaubensgebote ging. Hatte sie dadurch ihre Aussichten, das Haus in Carcassona leiten zu können, verspielt?
» Ich schätze ihre Aufrichtigkeit « , widerlegte Esclarmonde diese Bedenken. » Sie ist eine von Rosas besten Eigenschaften. Auch als ich sie fragte, was sie von dir hält, antwortete sie völlig ehrlich. «
Adelind musste sich kurz an der Tischkante festhalten, denn ihr war, als hätte sie von unsichtbarer Hand einen Stoß erhalten. Wieso war sie auf einmal so wichtig, dass Rosa über sie ausgefragt wurde?
» Und was hat sie…? « , begann sie stammelnd, presste dann entsetzt die Lippen aufeinander, denn es war wohl unklug, die Gräfin derart auszufragen.
» Sie sagte, dass du eine kluge und höchst gebildete Frau bist « , beantwortete Esclarmonde die nur zur Hälfte ausgesprochene Frage. » Es ist ihr nicht entgangen, dass deine Kenntnisse der lateinischen Sprache weitaus besser sind als ihre, vermutlich auch als die meinigen, denn ich habe Rosa ja selbst unterrichtet. Sie rechnet es dir auch hoch an, dass du dies aus Rücksicht auf ihre Autorität niemals öffentlich gemacht hast. «
Das Blut rauschte in Adelinds Ohren. Sie fragte sich, wie Rosa dies aufgefallen sein mochte. Sie hatte die lateinischen Texte der Katharer stets nur schweigend studiert, war im Unterricht lediglich einmal aufgefordert worden, ein paar Sätze aus der Interrogatio Johannis zu übersetzen, was sie bewusst langsamer getan hatte als notwendig. Rosa musste eine erstaunlich gute Beobachterin sein. Und schien sie zu mögen, auch wenn sie stets brüsk und abweisend zu ihr gewesen war. Adelind staunte, wie sehr dieser Umstand sie erfreute.
» Sie sagte auch, dass du, im Gegensatz zu deiner Schwester, unseren Glauben noch nicht ganz in dein Herz gelassen hast, da du zum Zweifel neigst « , fuhr Esclarmonde fort. Adelinds Kehle wurde eng. Nun musste sie eine passende Antwort finden, doch der klare, freundliche Blick Esclarmondes machte eine offene Lüge unmöglich.
» Ich weiß nicht, ob du noch der katholischen Lehre nachhängst, mit der du aufgewachsen bist. Sollte dem so sein, lässt sich vielleicht eine Möglichkeit finden, dich in einem Kloster unterzubringen. Hier in meinen Ländereien gibt es nur ein paar männliche Zisterzienserorden, aber ich habe natürlich Beziehungen zu anderen Fürstentümern « , sagte die Gräfin. Philippa de Foix’ buschige Brauen zogen sich erstaunt nach oben. Adelind entspannte sich ein wenig. Sie hatte Esclarmondes Großzügigkeit unterschätzt.
» Ich danke Euch von Herzen, Dòna, aber dies ist nicht mein Wunsch « , erwiderte sie. Ein keusches, frommes Leben machte ohne Hildegard an ihrer Seite keinen Sinn. Esclarmonde lächelte höchst zufrieden.
» Nun, es freut mich sehr, dies zu hören, Adelind. Ich würde dich nur ungern verlieren. « Wieder wurde der Pokal gehoben und erneut auf den Tisch gestellt. Esclarmonde und Philippa tauschten Blicke.
» Deine Schwester Hildegard ist bestrebt, bald schon das Consolament zu empfangen. Dazu bedarf es einer Vorbereitungszeit von mehreren Jahren « , sprach Philippa de Foix ihren ersten Satz. Die Neuigkeit traf Adelind unvorbereitet, auch wenn sie nicht überraschend war. Es kränkte sie, es nicht von Hildegard selbst erfahren zu haben.
» Solltest du dir selbst einen ähnlichen Weg vorstellen können, dann werde ich dir die Leitung der domus in Carcassona überlassen, auch wenn für die spirituelle Unterweisung der Frauen natürlich eine Perfacha nötig ist. Sobald auch du das Consolament empfangen hast, kannst du als ihre erste Stellvertreterin ebenfalls diese Aufgabe übernehmen « , kam es nun ohne jede Vorwarnung von Esclarmonde. Adelind konnte nicht verhindern, dass sie vor reiner Überraschung zusammenfuhr.
» Aber… aber Rosa… « , stammelte sie. Esclarmonde beugte sich
Weitere Kostenlose Bücher