Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
tat sich auf, wo vermutlich sonst der Burgherr mit seiner spärlichen Ritterschaft aß. An der Wand waren zwei brennende Fackeln befestigt, die eine große Tafel erhellten. Nur die Gräfinnen saßen auf der erhöhten Tribüne, nippten an schlichten Pokalen und sahen Adelind lächelnd entgegen. Sie knickste, denn dieser Raum zwang sie zur Ehrfurcht vor den edlen Herrschaften.
» Komm und setz dich zu uns « , forderte Esclarmonde sie auf. Sie trug wieder die dunkle Kleidung der Katharer, ebenso wie Philippa, doch hätte eine farbenfrohere Aufmachung bei Damen dieses Alters unpassend gewirkt.
» Ich werde bald das Consolament empfangen und eine Perfacha werden « , erklärte die Gräfin. » Philippa will mir auf diesem Weg folgen. Mein Bruder ist einverstanden. «
Die Gemahlin des Grafen de Foix nickte. Sie musste ungefähr in Esclarmondes Alter sein, doch fehlte ihrem Gesicht die angeborene Anmut, der auch Falten und graues Haar nichts anhaben konnten. Durfte sie nun in Keuschheit leben, weil ihr Gemahl kein Verlangen mehr nach ihr hatte?, erwog Adelind. Aber sie wollte kein Urteil über einen unbekannten Grafen fällen.
» Nun, unser Glaube hat in den letzten Jahren viele Anhänger gewonnen « , redete Esclarmonde weiter, während sie Adelind zu sich an die Tafel winkte. Ein Stück unterhalb der Tribüne nahm Adelind zögernd Platz, empfand die wuchtigen Steinmauern plötzlich als bedrohlich, als könnten sie jederzeit auf sie einstürzen. Sie fühlte sich verloren in diesem riesigen Saal, allein mit zwei Frauen, die aus einer anderen Welt stammten.
» Philippa und ich wollen weitere domus errichten, wo Frauen und junge Mädchen aus allen Schichten der Gesellschaft die Möglichkeit bekommen, ihr Leben Gott zu weihen und den falschen Lehren der römischen Kirche die Stirn zu bieten. Wir brauchen hierbei alle Hilfe und Unterstützung, die wir nur finden können. «
» Eure Großherzigkeit ist sehr lobenswert, Dòna « , erwiderte Adelind artig. Sie begriff nicht, was sie selbst mit diesen Plänen zu tun hatte.
» Eine der ersten dieser domus soll in Carcassona stehen, wo wir bereits zahlreiche Brüder und Schwestern haben. Der Vescomte de Trencavel, Herr über diese Stadt und guter Freund meines verstorbenen Gemahls, ist einverstanden « , redete Esclarmonde weiter, während Philippa in regelmäßigen Abständen nickte. » Wir denken vielleicht auch an die Einrichtung einer Schule für die Töchter der Armen und gleichzeitig an ein Heim für Perfachas, die alt geworden sind und Fürsorge brauchen, denn auch derer haben wir immer mehr. «
Sie nippte an ihrem Pokal und stellte ihn mit einem entschlossenen Ruck wieder auf die Tafel zurück. Philippa trank ebenfalls.
» Willst du nicht auch etwas von dem Wein, Adelind? « , fragte Esclarmonde und winkte ungeduldig einen Bediensteten herbei, ohne eine Antwort abzuwarten. Auch für Adelind wurde ein Pokal gefüllt, der dem der Gräfinnen in nichts nachstand. Sie trank höflich. Ihr schien, als hätten die zwei Damen in ihrem Fall eine längere Unterhaltung geplant, auch wenn sie den Grund hierfür immer noch nicht begreifen konnte.
» Was mir noch fehlt, ist die geeignete Leiterin für diese domus in Carcassona. Eine Frau, die umsichtig ist und klug wie Biatris. «
Adelind riss staunend die Augen auf. Der Blick der Gräfinnen schien ihr abwartend und auf unerklärliche Weise erwartungsvoll, als könne sie zu der Lösung dieses Problems beitragen. War sie hierhergeholt worden, da man nach ihrem Rat verlangte?
» Nun, ich denke, Rosa ist sehr klug und höchst fromm. Es war schon lange ihr Wunsch, eine Perfacha zu werden « , schlug sie daher vor, denn sie ahnte, dass es Rosas tiefster Sehnsucht entsprechen musste, in ein derart wichtiges Amt aufzusteigen. Gleichzeitig war ihr klar, dass sie selbst niemals in einem Haus würde leben wollen, in dem Rosa das Sagen hatte.
» Ich habe ebenfalls an Rosa gedacht « , stimmte Esclarmonde jedoch zu, während eine Dienstmagd zwei Bretter mit Brot, Käse und Früchten herbeitrug.
» Ich vermag nicht ganz auf alle Nahrung zu verzichten, die von Tieren gewonnen wird « , erklärte Esclarmonde, obwohl niemand Tadel ausgesprochen hatte. » Ohne Fleisch geht es, aber zudem ohne Eier, Milch und Käse, da fühle ich mich schnell sehr schwach. Ich brauche jedoch all meine Kraft, um mich unserer Kirche zu widmen. «
» Ich bin mir sicher, dass Ihr dabei Gottes Wunsch erfüllt, Dòna « , stimmte Adelind zu. Es war für gewöhnlich
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