Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
Fladen zu uns nahmen. Hier macht man manchmal Scherze darüber, wie groß Jesus Christus gewesen sein müsste, damit so viel Brot aus seinem Körper gemacht werden kann. Doch als wir daran glaubten, da war es für uns sein Leib. Vielleicht hängt alles nur davon ab, in welchem Glauben man erzogen wurde. Ich meine, dass… dass… ach, es ist so schwer auszudrücken. «
Sie vergrub ihr Gesicht in den Händen. Gedanken zogen durch ihren Kopf, aber sie fügten sich nur zu der Ahnung von etwas, wofür sie keine Worte finden konnte. Peyres hatte es einmal angedeutet. Ein jeder las aus der Bibel, was er aus ihr herauslesen wollte. Doch welcher Glaube konnte dann der richtige sein? Ihr wurde schwindelig, als sei sie in einen Irrgarten geraten, ohne den Weg nach draußen finden zu können, sodass aus Verwirrung langsam Angst zu werden begann.
» Bete, Adelind « , drang Hildegards Stimme in ihr Bewusstsein. » Auch dich hat Gott der Herr gerufen, du musst nur auf seine Stimme hören. «
Adelind wagte ihr noch nicht zu sagen, dass sie eine ganz andere Stimme in ihrem Herzen vernommen hatte und ihre Entscheidung bereits gefallen war. Sie legte ihre Füße auf das Bett, denn Hildegard schien weniger verletzlich als angenommen und konnte einen weiteren Menschen an ihrer Seite wohl ertragen.
» Unser beider Seelen werden hier den Weg zur Erlösung finden « , versicherte Hildegard und streichelte weiter ihre Hand. Adelind schloss die Augen. Sie fühlte sich so erschöpft, dass sie den Rest des Tages hätte schlafend zubringen können. Wieder schob das Gesicht von Peyres sich unter ihre Lider. Sie wünschte sich, dass er endlich käme, um sie mitzunehmen. Es war an der Zeit, von diesem Ort weiterzuziehen. Nur musste sie die geeignete Gelegenheit finden, dies Hildegard zu erklären. Tief in ihr schlummerte die Furcht vor diesem Augenblick.
Zwei Wochen nach der Geburt des toten Kindes kehrte Esclarmonde des Foix zurück, doch bezog sie nun die Burg von Dun. Biatris erklärte aufgeregt, die Gräfin sei diesmal nicht allein gekommen, sondern in Begleitung ihrer Schwägerin Philippa, der Gemahlin des Grafen de Foix, die sich nun auch für den Glauben der Katharer begeisterte. Nach Beendigung des vormittäglichen Unterrichts wartete ein Bote, um drei Frauen auf die Burg zu bringen. Rosa wurde gerufen, ebenso Biatris, die beiden Oberhäupter der frommen Gemeinschaft. Als Adelind auch ihren eigenen Namen vernahm, dachte sie zunächst, es müsse ein Missverständnis vorliegen. War Alazais gemeint? Doch welchen Grund hätten die Gräfinnen, nach einer Bürgerstochter zu rufen, die hier nur wartete, bis ihr Vater einen geeigneten Ehemann für sie fand?
Sie verspürte einen leichten Stoß an ihren Rippen.
» Nun geh schon! « , flüsterte Hildegard auf Deutsch. » Esclarmonde hat deine Fähigkeiten erkannt. «
Der erwartungsvolle Blick von Biatris tat ein Übriges. Nur Rosas Miene blieb unbewegt, sie schien über die unerwartete Ehre, die Adelind nun zuteilwurde, weder erstaunt noch aufgebracht. Zu dritt stiegen sie den steilen Hügel zu der Festung hoch, die für Adelind bisher kaum mehr als weitere Felsbrocken am Horizont gewesen war. Nun wurde sie durch ein großes Tor geführt, betrat einen Hof, auf dem Vieh und Gesinde herumliefen, um anschließend in den Hauptturm zu gelangen. Die Einrichtung war schlicht, die Wände kahl, ohne jegliche Behänge. Sie hatte im Kloster weitaus prächtigere Räume gesehen. Schließlich wurden sie in einem kleinen Vorraum auf einer Bank platziert, während der Bote durch eine weitere Tür verschwand, hinter der sich wohl die zwei vornehmen Damen verbargen. Biatris durfte als Erste hinein, doch blieb sie nur kurz, um gleich darauf von Rosa abgelöst zu werden, deren Unterhaltung mit den Gräfinnen sich etwas länger hinzog. Adelind wartete geduldig. Sie empfand keine Furcht, denn Esclarmonde schien nicht hartherzig, sondern neugierig, was sie selbst denn hier sollte. Ihr Aufenthalt in Dun würde nur vorübergehend sein, das hatte sie bereits beschlossen.
Rosa kam heraus. Auf den bleichen Wangen glühten zwei rote Flecken, die eher krank denn frisch wirkten. Rasch setzte sie sich auf die Bank.
» So, jetzt bist du an der Reihe « , zischte sie Adelind zu, die gehorsam aufstand. Ihr war leicht schwindelig. Rosa schien wütend, und sie wusste nicht, warum. Konnte es etwas mit der Beerdigung des tot geborenen Kindes zu tun haben, dass die edlen Frauen sie alle nun zu sehen wünschten?
Ein großer Saal
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