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Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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sicherzugehen. Ein absolut tödliches Gebräu.
    Eustachius von Marmelstein atmete tief durch, klemmte
den Brief in den Türspalt und begab sich von der Kanzlei aus in sein
Privatgemach, das ihm auch jetzt, in der Stunde seines Todes, als Zuflucht
diente. Wie so häufig fiel sein Blick dabei auf den prachtvollen Wandteppich
mit dem südländischen, nichtsdestoweniger für ihn so verhängnisvollen Motiv.
Trotzdem empfand er keine Reue. Auch wenn er von seinem Liebhaber mehr als
schmählich hintergangen worden war.
    Doch auch das zählte jetzt nicht mehr. Wie so vieles,
was ihm in den letzten Stunden und Tagen widerfahren war. Er war einfach nur
müde. Sich und seines Lebens längst überdrüssig.
    Und so fiel ihm das, was er zu tun im Begriff war,
mehr als leicht. Er entledigte sich seines brokatenen, mit Pelz verbrämten
Mantels, hängte ihn mit größter Sorgfalt über den gepolsterten
Ohrenbackensessel in der Fensternische und begab sich zu seinem Ruhebett, das
sich in unmittelbarer Nähe der flämischen Tapisserie befand. Schon von Ferne
funkelte ihm dabei der goldene Becher mit der todbringenden Mixtur entgegen.
Eustachius von Marmelstein zögerte nicht lange und trank ihn auf einen Zug
leer.
    Er wusste, dass der Tod auf leisen Sohlen kommen
würde. Langsam, dafür umso unerbittlicher. Und so ließ er den Blick ein letztes
Mal durch sein Gemach schweifen, zog die Vorhänge zu und machte es sich
anschließend auf seinem Ruhebett bequem. Als Letztes blies er die Kerze aus,
die auf dem Nachttisch aus poliertem Sandelholz stand.
    Und schon fiel der Domherr in tiefen Schlummer, ein
entspanntes Lächeln auf dem Gesicht.
    Als ihn Gevatter Tod in die Arme schloss, bekam
Eustachius von Marmelstein nicht das Geringste davon mit. Er spürte keinen
Schmerz, weder körperlicher noch seelischer Natur.
    So, wie er es sich zeitlebens gewünscht hatte.
     
    *
     
    Siechenhaus vor
dem Sander Tor,
    kurz nach
Sonnenuntergang
     
    Wigbert der Zwerg hob den Becher zum Mund, zwinkerte
seinen Zechkumpanen zu und leerte ihn mit einem Zug.
    Potzblitz und zugenäht! So hatte er sich das Leben
hier nicht vorgestellt.
    Betrinken konnte er sich trotzdem nicht. So sehr es
ihm in den Kram gepasst hätte. Er musste wachsam bleiben. Nichts schlimmer, als
sich jetzt, kurz vor dem Ziel, zu verraten! Verdacht zu erregen war wirklich
das Letzte, was er gebrauchen konnte.
    Der Speisesaal des Siechenhauses, ein düsteres
Gewölbe, das auf einer schmucklosen Säule ruhte, war nicht sehr groß, höchstens
20 auf 15 Schritt. Kahl, feucht und wenig einladend, und das galt auch für sein
Mobiliar. Sankt Rochus, Schutzpatron der Pestkranken, lächelte von einem
Mauervorsprung herab, und draußen vor den Gitterfenstern verglomm das Abendrot.
Ein halbes Dutzend Pechfackeln, die in verrosteten Zylindern steckten,
verbreitete schummeriges Licht. Der Saal war brechend voll, und der Pesthauch
von Fäulnis, Krankheit und menschlicher Ausdünstung war so durchdringend, dass
Wigbert fast schlecht davon wurde.
    Wenn der Vorhof zur Hölle existierte, dann hier.
    Die Anwesenden, von Aussatz, eitrigen Geschwüren oder
verkrüppelten Gliedmaßen gezeichnet, schien dies jedoch nicht zu stören. Je
mehr Wein, desto besser die Stimmung, je länger der Abend, desto derber die
Zoten. Kein Mensch, der nach dem Woher und Wohin fragte, nach Hoch oder
Niedrig, Reich der Arm. Hier war jeder gleich, Teil einer verschworenen
Gemeinschaft, wie Wigbert erstaunt registrierte. Einer Gemeinschaft, wie es sie
draußen so nicht gab.
    Als es Nacht wurde, begann ein Schalmeibläser, seiner
Virtuosität halber ›Flinkefinger‹ genannt, zum Tanz aufzuspielen. Eigentlich
hieß er Jakob, genauer gesagt Jockel, und war blind. Genau wie sein Gefährte,
der die Drehleier bediente. ›Buckel-Jakob‹, der Dritte im Bunde, spielte auf
der Fiedel. Mitten im Tanz, einem Reigen des Todes, der unaufhaltsam dem
Höhepunkt zutrieb, fuhr eine Windbö durchs Fenster, und die Schattenbilder der
Tanzenden wirbelten wild durcheinander. An der allgemeinen Ausgelassenheit
änderte dies freilich nichts. »Mein Begehr und Wille ist: in der Taverne
sterben! Wo mir Wein die Lippen netzt, bis dass sie sich entfärben!«, hallte es
durch das Gewölbe, doch Wigbert war nicht nach Feiern zumute. Er war zum
Ausspionieren hier, nicht zum Saufen. Leider. Und so tat er sich schwer, nicht
aufzufallen. Als aber genau dies eintraf, ließ ihn die Frage seines Zechkumpans
buchstäblich zusammenfahren: »Was ist?!«, lallte der

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