Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
was Bruder Wilfried zu sagen
einfiel. »Mein Kompliment!« Er konnte das Ganze immer noch nicht richtig
begreifen. Weshalb er aus lauter Verlegenheit das Gespräch auf ein anderes
Thema lenkte: »Und du –«
»Stoffel.«
»Und du, Stoffel: Wohin führt dich dein Weg?«
Mit seiner Frage hatte sich Bruder Wilfried eigentlich
nichts Böses gedacht. Doch sie bewirkte das genaue Gegenteil. Ein Zucken der
Mundwinkel, und die Jovialität des Alten war verpufft und tiefen Sorgenfalten
gewichen.
Doch Christopherus war ein ehrlicher Mann. Infolgedessen
verheimlichte er auch nichts. »Ich mache mir Sorgen!«, gestand er ein, bewegte
sich mit traumwandlerischer Sicherheit auf Bruder Wilfried zu und ließ sich
neben ihm auf die Holzbank sinken.
»Weswegen?« Einmal mehr erstaunt, horchte dieser auf
und wandte sich seinem Gesprächspartner zu. Doch der achtete überhaupt nicht
auf ihn, umklammerte seinen Gehstock und blickte stur geradeaus.
»Wegen einer Dummheit, die ich heute Morgen begangen
habe. Einer Riesendummheit, um ehrlich zu sein.«
»Jeder Mensch macht eben Fehler!«, redete Bruder
Wilfried dem sichtlich zerknirschten Alten gut zu. »So ist das nun mal!« Fast
automatisch kam ihm dabei Gumperts verbrannter Leichnam in den Sinn.
Für kurze Zeit geriet das Gespräch der beiden Männer
ins Stocken. Bruder Wilfried spürte, wie der Alte hin und her überlegte, hielt
jedoch mit seiner Neugier hinterm Berg. Doch dann holte Stoffel tief Luft, riss
den Kopf herum und spie ihm die Worte förmlich ins Gesicht: »Er hat ihn
umgebracht, stimmt’s?«
Es gab Tage im Leben, wo er auf Überraschungen hätte
verzichten können. Heute war so ein Tag. Vielleicht war das auch der Grund,
weshalb Bruder Wilfried zunächst dachte, er habe sich verhört. »Wer?! Wen?«,
hätte seine Antwort tölpelhafter nicht ausfallen können, wenngleich ihm klar war,
wen Stoffel meinte.
»Dieser Pfaffe, der mich heute Morgen zwei Straßen
weiter angesprochen hat.« Die Selbstverständlichkeit, mit der Stoffel seine
Schlussfolgerungen zog, ließ Bruder Wilfried erschaudern, und er rutschte
unruhig hin und her.
»Wie kommst du darauf, dass es ein Pfaffe war?«,
wollte Bruder Wilfried wissen, dessen Glaube an die übersinnlichen Kräfte des
Alten weiter Auftrieb erhielt. Schließlich hatte er Gumpert noch mit keiner
Silbe erwähnt.
»Wenn man wie ich auf die Stimme angewiesen ist, um
sich ein Bild von den Leuten zu machen, entwickelt man mit der Zeit ein
besonderes Gespür. Ob man es mit einem von denen da droben oder unsereinem zu
tun hat, meine ich. Und in diesem Fall, glaubt mir, bin ich mir ganz, ganz
sicher. Der Kerl, mit dem ich es zu tun hatte, war ein Pfaffe. Kein
Dorfpfarrer, wohlgemerkt. Sondern einer von ganz weit oben. Allein schon seine
Art zu reden – Dompfaffe durch und durch. Würde mich nicht wundern, wenn er
eins von den ganz großen Tieren war.«
»Große Tiere? Was meinst du damit?«
»Was weiß ich – einer von den Domherren vielleicht!«,
erwiderte Stoffel mit spürbarem Groll. »Wie gesagt: Einer aus dem gemeinen Volk
redet ganz anders. Fränkisch – was sonst! Der da aber hat sich ganz anders
angehört. Jedes Wort an der richtigen Stelle. Und gestochen scharf. Keine
Unsicherheit, kein Räuspern. Nichts dergleichen. Ein Mann mit großem
Selbstbewusstsein. Dazu rücksichtslos und brutal. Ohne Hemmungen. Wie einer,
der mit dem Leben bereits abgeschlossen hat.«
»Klingt so, als hättest du ihn tatsächlich gesehen.«
Stoffel lächelte matt. »Besser als jeder andere, der
mit intakten Augen durchs Leben geht! Genauso wie Euch, Bruder.«
»Jetzt bin ich aber wirklich gespannt!«, konnte sich
Bruder Wilfried nun seinerseits eines Lächelns nicht erwehren. »Nur zu – ich
bin ganz Ohr!«
»Ihr seid nicht zufällig hier, hab ich recht?«
Schon wieder eine von diesen verblüffenden
Bemerkungen. Und das, ohne ihn dabei anzusehen. Bruder Wilfried kam sich
reichlich hilflos vor. »Mitnichten!«, räumte er bereitwillig ein. »Das kann man
weiß Gott nicht behaupten!«
»Dann ist es also wahr.«
»Was denn?«
»Was man überall im Viertel sagt. Hinter vorgehaltener
Hand, versteht sich.« Der Bettler lehnte seinen Stab an die Wand, legte die
Handfläche auf die Knie und ließ den Kopf langsam nach vorn sacken.
»Und was erzählt man sich so?«
»Es heißt, die Reliquien unserer drei Heiligen seien
gestohlen worden.«
»So, heißt es das. Und weiter?«
»In seinem unerforschlichen Ratschluss soll unser
allseits
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