Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
übrig, als ihn so schnell wie möglich wieder loszuwerden. Ein
Ermordeter – und das ausgerechnet im Siechenhaus! Kein Mensch, und schon gar
nicht die Stadtwache, hätte unsereinem geglaubt, dass wir nicht das Geringste
mit der Sache zu tun haben! Wo sie uns doch alle zum Teufel wünschen und lieber
heute als morgen loswerden würden!«
»Und dann?«
»Wir also nichts wie rauf mit dem Müll. Bis die Leiche
nicht mehr zu sehen war. Und die Fuhre von Buckel-Jakob gleich dazu. Und dann
haben wir die ganze Ladung im Schuppen versteckt.«
»Aber ich dachte, ihr wolltet … Und überhaupt – wenn
wir gerade dabei sind: Habt ihr den Toten gekannt?«
Skrofulus zuckte zusammen. »Und ob!«, lamentierte er
und sah sich verängstigt um.
»Jetzt komm schon!«, stachelte ihn Wigbert mit
vorgetäuschter Kaltschnäuzigkeit an. »Kein Mensch hört uns zu! Wer war der
Kerl?«
»Ein gewisser Agilulf«, flüsterte ihm der Kahlköpfige
zu.
Obwohl längst abzusehen war, auf welchen Punkt das
Gespräch zusteuern würde, fiel es Wigbert schwer, nach außen hin Ruhe zu
bewahren. Schließlich ging es hier um seinen Bruder. Beziehungsweise
Halbbruder, um korrekt zu sein. »Nie gehört!«, warf der Totengräber eher
beiläufig ein.
»Einer von unseren Leuten.«
»Von euren …«
»Mein Gott, wie kann ein einziger Mensch bloß so
begriffsstutzig sein!«, ereiferte sich Wigberts Tischnachbar und schnitt eine
Grimasse. »Um es kurz zu machen: Zu dem, was uns der Rat und andere edle
Spender an Wohltaten angedeihen lassen, verdienen wir uns nämlich den einen
oder anderen Pfennig dazu!«
»Indem ihr für andere den Müllkutscher spielt.«
»Bravo!«, rief der Kahlkopf mit gekünstelter
Bewunderung aus. »Sieht so aus, als hätte ich dir Unrecht getan! Mal ehrlich:
Was bleibt uns denn anderes übrig, als für ehrbare Bürger die Drecksarbeit zu
machen? Weißt du vielleicht was Besseres? Ich nicht!« Ein gallenbitteres Lachen
kam aus seinem Mund. »Bei Nacht fallen wir wenigstens nicht so auf. Da lässt
sich sowieso kein anständiger Bürger mehr auf der Straße blicken. Und selbst
wenn – dann müssen wir eben Gebrauch von unseren Holzklappern machen! Muss ja
schließlich alles seine Ordnung haben. Deswegen hat auch jeder sein eigenes
Viertel. Wie ich. Oder Krätze. Springt zwar nicht viel raus dabei, aber ein
Rausch pro Woche ist allemal drin.«
»Und Krätze?«
Skrofulus sah Wigbert verständnislos an.
»Wo er in der Nacht von Freitag auf Samstag zugange
war, will ich wissen!«
»Der Rotfuchs? In der Gegend zwischen Neumünster und
Dom, nach allem, was ich weiß.«
»Und wann?«
»Was weiß ich – kurz nach Mitternacht oder so. Wieso
fragst du?«
»Nicht weiter wichtig!«, antwortete der Zwerg und
zwirbelte an seinem Bart. »Und was habt ihr mit der Leiche von diesem …«
»Agilulf.«
»Was habt ihr mit der Leiche von diesem Agilulf
gemacht?«
»Wir haben den Karren von Krätze mitsamt dem Toten den
Tag über im Schuppen stehen lassen. Als wäre nichts gewesen. Und haben ihn
gestern Nacht wieder rausgeholt und wie üblich unsere Runden gedreht. Der ganze
verwegene Haufen. Unter anderem Krätze und ich. Jeder für sich und Gott gegen
alle.« Skrofulus lachte leise in sich hinein. »Der Rotfuchs hat sich fast in
die Hosen geschissen vor Angst, kann ich dir sagen! Ist aber alles gut
gegangen.«
»Wie?! Soll das heißen, die Wachen am Tor haben nichts
gemerkt?«
»I wo – wie kommst du denn da drauf! Ist denen doch
egal, was wir durch die Gegend kutschieren! Ob Hundescheiße, Abfall, Leichen
oder geschmuggelte …« Der zweite Versprecher, und das innerhalb kürzester Zeit.
Skrofulus hielt erschrocken inne.
Zu spät. Wigbert biss sofort an. »Schmuggelware? Wie
darf ich das verstehen?«, antwortete er übertrieben laut.
Der Trick funktionierte. »Psst!«, fuhr sein Zechkumpan
dazwischen und wurde vor Angst leichenblass. »Oder willst du uns beide ans
Messer liefern?«
»Ans Messer liefern – wieso?«, entgegnete Wigbert mit
einer Treuherzigkeit, die seinem Tischnachbarn den Schweiß aus den Poren trieb.
»Ich habe dir doch gesagt, dass ich schweigen kann wie ein …«
»Grab! Ja ja, ich weiß!«, fauchte Skrofulus und machte
sich noch kleiner, als er war. »Wird dir auch nichts anderes übrig bleiben!«
»Wieso?«
»Weil du es sonst mit Lazarus zu tun kriegst. Und der
macht mit Verrätern kurzen Prozess!«
»Der Poet? Was hat der denn mit der Sache zu tun?«
»Eine ganze Menge.«
»Und was?« Ein treuherziger
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