Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
geliebter und allzeit hochverehrter Herr Bischof zwei Mönche und einen
Haudegen namens Berengar von Gamburg mit der Aufklärung dieses Frevels
beauftragt haben. Sofern er denn überhaupt stattgefunden hat.«
Allmählich begann Bruder Wilfried zu resignieren. »Hat
er!«, gab er kleinlaut zu.
»Dann ist es also wahr.« Der Alte rieb sich das mit
weißen Bartstoppeln übersäte Kinn. »Nur noch eine Frage: Hatte Gumpert etwas
mit dem Diebstahl zu tun?«
»Irgendwelche Einwände, wenn ich deine Frage mit einer
Gegenfrage beantworte?«
Der Bettler schüttelte den Kopf. »Warum sollte ich?«,
meinte er.
Bruder Wilfried erhob sich, reckte die müden Glieder
und richtete den Blick nach oben, wo sich der Himmel im Glanz der Abendsonne
allmählich zu röten begann. Erst jetzt fiel ihm auf, wie schön dieser Abend
war, und er bedauerte, sich mit Dingen beschäftigen zu müssen, die ihn zutiefst
deprimierten und nahezu blind für Gottes Wunder machten. Aber so war das nun
einmal. Bruder Hilpert, Berengar und er hatten einen Auftrag. Ob er vom Bischof
oder jemand anderem kam, zählte dabei nicht.
Es galt, diese Bestie aufzuspüren. So schnell es
irgend möglich war.
Bruder Wilfrieds kantige Züge nahmen einen
entschlossenen Ausdruck an. »Sehr gut!«, murmelte er, keine Antwort, sondern
viel eher eine Manifestation seiner Entschlossenheit. »Hättest du etwas
dagegen, mich ein Stück des Weges zu begleiten?«
»Nicht im Geringsten. Und wohin?«
»Zu einem Gespräch unter Freunden.«
»Hab mir schon so was gedacht!«, entgegnete Stoffel,
griff nach seinem Stab und wandte sich Bruder Wilfried zu. »Was meint Ihr: Ob
wir den Kerl wohl zu fassen kriegen, bevor er noch mehr Schaden anrichten
kann?«
»Mit Sicherheit!«, antwortete Bruder Wilfried mit
einem Schmunzeln im Gesicht. »Was kann uns denn schon groß passieren, wenn wir
jemanden wie dich in unseren Reihen haben!«
*
Marmelsteiner
Hof, bei Sonnenuntergang
In gewisser Weise war er über all das Unheil, das über
ihn hereingebrochen war, sogar froh. Und erleichtert. Primär deshalb, weil
jetzt endlich alles vorüber war. Das Versteckspiel, seine Täuschungsmanöver,
die Angst, das Netz seiner Betrügereien werde irgendwann einmal reißen.
Es war vorbei. Unwiderruflich vorbei. Ein Grund mehr,
sich der letzten Augenblicke seines Lebens noch ein wenig zu erfreuen.
Eustachius von Marmelstein, einst schwerreich, derzeit
ärmer als eine Kirchenmaus, setzte seinen Namen unter den Brief, den er soeben
verfasst hatte, faltete ihn und drückte sein Siegel darauf. Beim Gedanken, dass
dies wohl die letzte Amtshandlung in seinem 57-jährigen Leben gewesen war, kam
er nicht umhin zu lächeln. Hatte alles so kommen müssen? Er wusste es nicht.
Was er hingegen wusste, war, dass er so unmöglich weiterleben konnte. Oder
dahinvegetieren. Je nachdem, aus welchem Blickwinkel man sein Martyrium
betrachtete.
Fest stand jedoch eines: In diesem Zisterzienserbruder
mit Namen Hilpert hatte er seinen Meister gefunden. Und zwar endgültig. Dieser
Mann würde weder rasten noch ruhen, bis er ihn zur Strecke gebracht hatte.
Insofern dies nicht schon längst geschehen war. Nicht zuletzt deshalb würde er
seinem Leben ein Ende setzen.
Über das Gesicht des Domkapitulars huschte ein
hintergründiges Lächeln. Er würde abtreten von der Bühne. Freiwillig sogar.
Doch nicht, ohne sich an dem Mann zu rächen, der für seine Schmach
verantwortlich war.
Er hatte alles genau geplant. Dazu gehörte die
Anweisung, ihn bis morgen früh nicht zu wecken. Auf Giacomo, sein italienisches
Faktotum, war diesbezüglich Verlass. Das heißt, man würde den an Bruder Hilpert
adressierten Brief erst nach seinem Tod entdecken. Und damit, so sein Kalkül,
würde eine Lawine losgetreten, die nicht mehr aufzuhalten war. Der Schaden
würde immens sein. Irreparabel. Mehr noch: Der Mann, der ihm das Leben zur
Hölle gemacht hatte wie kein zweiter, würde von ihr entwurzelt und zermalmt
werden. Wie ein morscher, von Ungeziefer befallener Baum.
Demetrius. Immer nur Demetrius. Dieser Name würde ihn
bis ins Grab verfolgen. Warum nur ließ er ihn nicht los? Er wusste es nicht.
Eines aber wusste er genau: Mit dem Brief in seiner Hand, fast so leicht wie eine
Feder, wäre das Schicksal des Erzdiakons besiegelt. Ein für alle Mal. Schade
nur, dass er es nicht mehr erleben würde. Ein Wermutstropfen in dem Trank, den
er sich zurechtgebraut hatte. Schierling und Schlafmohn, dazu eine Prise Arsen.
Nur um ganz
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