Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Augenhöhle bohrte. Verzog keine Miene, zuckte nicht einmal mit den
Wimpern.
Ein Frösteln, und die nächste Fieberattacke brandete
über ihn hinweg. Demetrius wand sich in Krämpfen, zuckte wie ein waidwundes
Tier. Und mitten in den Schmerz, gleichsam als Krönung, drang diese Stimme.
Eine Stimme wie die Posaunen von Jericho.
»Seid Ihr Demetrius, Diakonus und Mitglied des
Domkapitels?«, fragte der Mann mit den verschränkten Armen, die er im Ärmel
seiner Kukulle verbarg. Und dies, ohne mit der Wimper zu zucken, ohne eine Spur
von Mitleid im Gesicht.
»Der bin ich!«, gab Demetrius ohne Umschweife zu, während
eine dumpfe Ahnung in ihm emporzukeimen begann. »Was ist Euer Begehr?«
Zum ersten Mal seit seinem Auftauchen war das Gesicht
des Mönches in Bewegung geraten, wenn auch nicht so, wie Demetrius es
erwartete. Seine blauen, glasklaren Augen drückten etwas aus, wovor er sich
fürchtete: die Fähigkeit, bis ins Innere seiner Seele zu blicken. Das heißt von
dem, was von ihr übrig war. Dieser Mann, so die blitzartige Erkenntnis, war
dazu imstande, selbst die kleinste Faser seiner Gedanken zu erhaschen. Und seien
sie auch noch so geheim.
Seine Worte waren kaum verklungen, da lieferte der
Mönch auch schon den Beweis dafür: »Wenn Ihr der seid, für den ich Euch halte,
hättet Ihr das eigentlich schon längst merken müssen!«
Also doch. Er hatte es, wenn nicht gewusst, so doch
wenigstens geahnt. Sie waren ihm auf die Schliche gekommen. Er wusste zwar
nicht, wie, aber das war letztendlich egal. Das Spiel war verloren. Demetrius
stützte sich auf die Ellbogen, während sein Unterleib den Geruch von
verbranntem Fleisch auf einem Bratrost verströmte. Wenn er sich auch innerlich
gegen sein Schicksal sträubte, spürte er doch, dass Widerstand so gut wie
aussichtslos war. Das Handgemenge mit diesem Büttner hatte ihn einfach zu viel
Kraft gekostet. Kraft, die ihm jetzt fehlte. Und das sowohl im physischen als
auch im psychischen Sinn.
Aber dann, da er dem Blick dieses Zisterzienserbruders
nicht standhalten konnte, fiel sein Blick auf den Ring an seiner Hand. ›In
diesem Zeichen wirst du siegen!‹, hämmerte es förmlich durch sein Gehirn, wobei
er die imaginäre Stimme in seinem Inneren eindeutig identifizieren konnte. Es
war die Stimme von Colonna, seinem Lehrmeister. Die Stimme des Mannes, den er
in circa zwölf Stunden hatte treffen wollen.
Wenn ihm der Mönch mit den hageren Gesichtszügen, der
immer noch regungslos am Fußende seines Bettes verharrte, nicht
dazwischengekommen wäre. Und die Krankheit, die ihn zerquetschte wie eine Faust
trocknen Laubs. »Falls Euch nicht klar ist, mit wem Ihr es hier zu tun habt,
Mönch, dann …«, bäumte sich Demetrius gegen sein Schicksal auf, aber der Mönch
fiel ihm mit schneidender Stimme ins Wort: »Mit dem ruchlosesten Frevler, den
die Mauern dieser Stadt jemals beherbergt haben!«
»Wer seid Ihr, dass Ihr es wagt, so mit mir zu reden?«
»Hilpert von Maulbronn, Inquisitor vom Orden der
Zisterzienser. Beauftragt, den Raub der Kilianreliquien und eine daraus
resultierende Mordserie aufzuklären.«
Das Gesicht von Demetrius, über dem bereits der
Schatten des Todes lag, verformte sich zu einem fratzenhaften Grinsen. »Soso!«,
keuchte er, während sein ausgemergelter Rumpf wie unter Geißelhieben erbebte.
»Und von wem?«
»Vom Bischof persönlich.«
Demetrius lachte leise in sich hinein. »Soso!«,
wiederholte er und ließ sich rücklings auf sein Lager fallen. »Eine Mordserie.
Und was hat das Ganze mit mir zu tun?«
»Genug der Ausflüchte!«, fuhr Bruder Hilpert Demetrius
an. »Ihr habt es hier nicht mit einem Domschüler zu tun!«
»Diese Reliquien – ich hoffe, Eure Bemühungen zu ihrer
Wiederbeschaffung waren von Erfolg gekrönt?«
»Wenn hier jemand Fragen stellt, dann ich. Aber wenn
wir schon dabei sind: Sie waren es in der Tat. Womit meine Mission erfüllt
wäre. Jedenfalls fast.« Bruder Hilpert sah Demetrius lange und eindringlich an.
In der Ferne schlug es gerade zwölf, und die Sonne näherte sich dem Zenit.
»Fehlt nur noch der Mörder, hab ich recht?«
Bruder Hilpert verzog den Mund. »Weit gefehlt, Herr
Domkapitular. Ich habe ihn bereits gefunden.«
»Ihr wollt doch nicht etwa behaupten, dass ich …«
»Wie gesagt: Genug der Ausflüchte!«, sprach Bruder
Hilpert in kompromisslosem Ton und trat neben das Bett. »Ihr steckt bis zum
Hals im Sumpf, Demetrius, und wisst es genau! Ihr und niemand anders seid der
Dämon, der Agilulf,
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