Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
nachgeschenkt. Dies freilich wäre des Guten denn doch zu viel
gewesen, und so fuhr sie mit dem Handrücken über die Lippen und sprach in
bedächtiger Manier: »Nehmt es mir nicht übel, mein …«
»Berengar.«
Für den Bruchteil eines Augenblicks stieg eine leichte
Röte in ihr Gesicht, aber kurz darauf hatte sich Schwester Irmingardis wieder
im Griff und erwiderte Berengars Blick. »Nehmt es mir nicht übel, Berengar –«,
wiederholte sie, sichtlich bemüht, mit ihrer Skepsis hinterm Berg zu halten,
»aber was Ihr da sagt, klingt in meinen Ohren so … so …«
»Unwahrscheinlich?«
Die Ordensfrau wich dem Blick des Vogtes aus und ließ
die Fingerkuppen über die faltenlose Stirn gleiten. »Welchen Grund hätte ich,
an Euren Worten zu zweifeln?«, warf sie zögerlich ein und fingerte an ihrem
Weinbecher herum. Dass ein Christenmensch auf die Idee kommen konnte, die
Gebeine der drei Heiligen zu stehlen, wollte ihr einfach nicht in den Kopf.
»Versteht mich bitte nicht falsch –«, fügte sie deshalb so taktvoll wie möglich
hinzu, »aber das Ganze hört sich für mich so ungeheuerlich an, dass ich mir
kaum einen schlimmeren Frevel vorstellen kann. Zumindest nicht im Moment.«
Im Hof des Weinhauses ›Zum Stachel‹ war es inzwischen
dunkel geworden. Ein Sackpfeifer mit Fußschellen spielte zum Tanz auf, und im
Schein der Fackeln und Kerzen ging es wie an jedem Freitag hoch her. Der Hof
war brechend voll, die milde Abendluft und der sternenklare Himmel taten ein
Übriges. Noch fünf Tage bis Sankt Kilian, aber schon jetzt befanden sich
Hunderte von Pilgern in der Stadt. Der Wirt vom ›Stachel‹, ein wahrer Koloss,
rieb sich die Hände. Die Geschäfte gingen gut, weit besser als erwartet. Der
Wein floss in Strömen, und die Heiterkeit, die der Sackpfeifer mit seinen
Zoten, Versen und Späßen auslöste, schlug hohe Wellen. Ein Wort gab das andere,
und bald war die Ausgelassenheit so groß, dass Berengar und Schwester
Irmingardis kaum noch Beachtung fanden.
»Wenn ich Euch einen Rat gaben darf, mein …«
»Berengar.«
»Verzeiht, ich vergaß! Wenn ich Euch also einen Rat
geben darf, Vogt«, wagte Schwester Irmingardis einen zweiten Versuch und konnte
sich ein spitzbübisches Lächeln nicht verkneifen, »dann diesen: mischt Euch
nicht in fremder Herren Angelegenheiten ein!«
»Sonderbar – aber genau das Gleiche habe ich heute
morgen schon einmal zu hören gekriegt. Vom Bischof!« Berengar machte aus seiner
Enttäuschung keinen Hehl, setzte seinen Becher an die Lippen und trank ihn nun
seinerseits auf einen Zug leer.
»Aber so habe ich das doch nicht gemeint.«
»Wie dann?«
»Jedenfalls nicht so, wie Ihr meint!«, antwortete die
Ordensfrau und tätschelte Berengars Hand. Sie tat dies zwar nur ein, zwei Mal,
aber die Wirkung, die sie damit erzielte, war enorm. Berengar von Gamburg, fast
sechs Fuß groß, dunkelhaarig, breitschultrig und ein Haudegen, wie er im Buche
stand, war wie vom Donner gerührt. Und auf einen Schlag sanft wie ein Lamm.
»Wie gesagt –«, fuhr Schwester Irmingardis nach kurzem Nachdenken fort, »wenn
Ihr klug seid, lasst den Dingen ihren Lauf! So, wie ich die Dinge sehe, könnt
Ihr hier doch nichts tun. Der Bischof ist nun einmal Herr über die Stadt. Er,
und nicht Euer Herr, der Graf.«
»Wenn wir gerade dabei sind: Was ist er denn überhaupt
für einer?«
»Johann von Brunn?« Quasi von einem Moment auf den
anderen war jegliche Spur von Heiterkeit aus dem Gesicht der bildhübschen
Ordensfrau gewichen. Sie sah ernst und nachdenklich aus. Sehr zum Bedauern von
Berengar, auf den die Lachfalten in ihren Mundwinkeln überaus anziehend
wirkten.
»Warum so schweigsam?«, fragte der Vogt, als ihm die Nonne
die erwartete Antwort schuldig blieb. »Habe ich etwas Falsches gesagt?«
»Ganz und gar nicht. Im Gegenteil.« Schwester
Irmingardis dachte kurz nach und rückte ihre Haube zurecht. »Durchaus
berechtigt, die Frage, die Ihr da stellt. Nur eben eine, die mich in eine
wirkliche Zwickmühle bringt.«
Berengar wollte etwas entgegnen, doch bevor es dazu
kam, hielt ihm die Ordensfrau ihren leeren Becher hin. Einmal mehr verblüfft,
kam Berengar ihrem Wunsch umgehend nach. Schwester Irmingardis nahm einen
kräftigen Schluck, stellte den Becher ab und starrte ins Leere. Dann sagte sie:
»Was für ein Mensch er ist, wollt Ihr also wissen.«
In Ermangelung einer passenden Antwort gab der Vogt
ein verlegenes Hüsteln von sich und sah sich verschämt um. »Wenn es wegen Eures
…«,
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