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Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Gesicht, und sein Herz begann wie rasend
zu pochen.
    Der Mann, der so tat, als sei er in sein Gebet
vertieft, war ihm schon einmal begegnet. Und er wusste auch genau, wo: in der
Gasse neben dem ›Roten Hahn‹.
    Berengar konnte es einfach nicht glauben. Er war wie
gelähmt. Einem ersten Impuls folgend, wollte er sich auf den Mann stürzen, ihn
am Kragen packen und lautstark zur Rede stellen. Eine unsichtbare, sämtliche
Gliedmaßen lähmende Kraft nagelte ihn jedoch regelrecht am Boden fest.
    Kaum imstande, seiner Erregung Herr zu werden,
schnappte der Vogt nach Luft. Kein Zweifel. Es war ein und derselbe Mann. Nur
dass er im Gegensatz zum Vorabend nicht mit einem Umhang, sondern wie ein
gewöhnlicher Pilger bekleidet war.
    Und dann geschah es. Mitten in seiner Andacht wandte
der Mann den Kopf zur Seite und sah ihm direkt ins Gesicht. Gerade so, als habe
er die ganze Zeit über gewusst, dass sich Berengar in der Nähe befand.
    Der Vogt hielt den Atem an. Ein
Gesicht wie dieses hatte er noch nie gesehen, eiskalt und so hasserfüllt, dass
einem das Blut in den Adern gefror. Ein Gesicht, das überhaupt keines war. Eine
Art Totenmaske, aus der alles Menschliche, Mitfühlende und Barmherzige gewichen
war.
    Und dann erst diese Augen. So etwas hatte er wirklich
noch nicht gesehen, außer vielleicht bei Verrückten. Wässrig blaue, leblos
anmutende Augen, in denen sich der Kerzenschein des Seitenaltars brach. Augen
ohne Wimpern, so gut wie ohne Brauen, mit einem Blick aus Granit.
    Nicht im Geringsten überrascht, blieb sein Widersacher
völlig ruhig. Ein verächtliches Lächeln flog über sein Gesicht, und er wandte
sich wieder dem Altarbild zu.
    Erst jetzt, durch die Geringschätzung, die der Fremde
ihm gegenüber zum Ausdruck brachte, kochte die Galle so richtig in Berengar
hoch, und er begann sich aus seiner Erstarrung zu lösen. Bevor es jedoch zum
Äußersten kam, hörte der Vogt eine besorgte Stimme neben sich sagen: »Was ist
mit Euch, Berengar? Ist Euch etwa nicht gut?!«
    Es war die Stimme von Schwester Irmingardis, und sie
hörte sich so an, als sei sie Meilen und nicht nur einen Schritt von ihm
entfernt. »So sprecht doch, mein Sohn! Was ist es, das Euch auf der Seele
liegt?«
    »Der Mann da – der da drüben! Direkt vor dem
Seitenaltar! Könnt Ihr ihn sehen?«, raunte Berengar der Ordensfrau ins Ohr.
    »Welcher Mann denn, mein Sohn?«
    »Na, der da drüben, der mit dem Pilgerstab und dem …«
Als sich der Vogt von seiner Begleiterin abwandte und mit ausgestrecktem
Zeigefinger auf den Altar zu seiner Linken deutete, war der Fremde
verschwunden.
    Spurlos.
    Als habe sich der Erboden aufgetan und ihn
verschluckt.
     
    *
     
    Richtstätte auf
dem Galgenberg,
    eine halbe
Stunde vor Sonnenuntergang
     
    Auf dem Galgenberg, etwa eine viertel Meile von der
Stadt entfernt, brach die Dämmerung herein. Kein ehrbarer Bürger hielt sich
jetzt noch außerhalb der Stadtmauern auf, außer dem Mann im schäbigen grauen
Rock, der den Weg zur Richtstätte einschlug.
    Keuchend vor Anstrengung blieb Agilulf der
Reliquienhändler auf halber Strecke stehen. Obwohl er vor unliebsamen
Begegnungen sicher sein konnte, sah er sich argwöhnisch um. Doch der
serpentinenartige Pfad war wie leer gefegt.
    Trotz alledem hatte der Reliquienhändler ein ungutes
Gefühl. Bis vor ein paar Tagen waren Furcht, Skrupel oder gar Reue für ihn
Fremdwörter gewesen, mit ein Grund, weshalb er nicht schon längst auf der
Strecke geblieben war. Insbesondere bei der Art von Geschäften, die er betrieb.
Heute jedoch war alles anders. Seit geraumer Zeit wurde er nämlich das Gefühl
nicht los, dass ihm jemand folgte. Agilulf fluchte leise vor sich hin. Er
kannte sich selbst nicht mehr. Gestern noch die Ruhe in Person, war aus ihm ein
richtiges Nervenbündel geworden.
    Nie und nimmer hätte Agilulf zugegeben, dass er Angst
hatte, doch dem war tatsächlich so. Für den Bruchteil eines Augenblicks dachte
er sogar daran, wieder umzukehren, aber die Aussicht auf ein sorgenfreies Leben
trieb ihn unerbittlich an.
    Ja, verdammt noch mal – er hatte Angst! Und er wusste
genau, vor wem. Und war trotzdem im Begriff, etwas zu tun, wofür ihn sein
Aufraggeber, der geheimnisvolle Kapuzenmann, nicht ungeschoren davonkommen
lassen würde.
    Falls er sein Spiel durchschaute.
    Durch plötzliche Atemnot geplagt, umklammerte der
Reliquienhändler die schweißnasse Kehle, öffnete sein verdrecktes Hemd und
atmete ein paar Mal tief durch. Dann setzte er seinen Weg fort.
    Als er

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