Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
bestimmten Samstag hin.
Wenn da nur dieses Gefühl der Unruhe in seinem Inneren
nicht gewesen wäre.
Um sich die gute Stimmung nicht gänzlich zu verderben,
atmete der Inquisitor tief durch, griff nach seinem Wanderstab und wollte sich
soeben von seinem Platz auf dem Baumstumpf in Sichtweite der Tauberbrücke
erheben, als ihn ein Geräusch, das sich wie ein in gestrecktem Galopp heranpreschender
Reiter anhörte, aufhorchen ließ. Bruder Hilpert kniff die Augen zusammen und
spähte in die Richtung des Saumpfades, der sich vom Kloster aus in Richtung
Wertheim schlängelte. Da es seit Tagen nicht mehr geregnet hatte, war der Boden
knochentrocken, und obwohl er sich die größte Mühe gab, war außer einer
riesigen Staubwolke so gut wie nichts von dem Reiter zu sehen. Er musste es
eilig haben. So viel stand jedenfalls fest. Schätzungsweise mehr als
dreihundert Schritt entfernt, war das angestrengte Keuchen des Pferdes dennoch
nicht zu überhören. Ein paar Augenblicke später war die Staubwolke
verschwunden, der Reiter schon fast am Ziel. Ein Kriegsknecht des Fürstbischofs
von Würzburg, wie Bruder Hilpert am Wappen auf seinem Lederkoller erkannte.
Kaum hatte er diese wenig verheißungsvolle Entdeckung
gemacht, schnürte es Hilpert regelrecht die Kehle zu. Kein Wunder angesichts
der Erfahrungen, die er vor nicht allzu langer Zeit mit einem seiner Emissäre
gemacht hatte. Wäre die Abtwahl nicht vorüber, hätte das Auftauchen des Reiters
reichlich Anlass zur Sorge gegeben.
Wie dem auch sei, dachte Hilpert und runzelte die
Stirn. Irgendetwas stimmt hier nicht! Und so beschleunigte er seinen Schritt
und traf nahezu gleichzeitig mit dem schwer bewaffneten Kriegsknecht vor der
Klosterpforte ein. Dieser verlor keine Zeit, schwang sich aus dem Sattel und
hastete mit weit ausholenden Schritten auf die verschlossene Pforte zu. Für
Bruder Hilpert, der ihn mit skeptischem Blick musterte, hatte er nicht einmal
einen Seitenblick übrig.
»Gott zum Gruße, mein Sohn!«, tat der Inquisitor
indessen alles, um das Gebot der Gastfreundschaft einzuhalten. »Was führt dich
hierher?«
Der Kriegsknecht, ein bulliger, bärbeißiger Grobian um
die 30, sah ihn von oben bis unten an, winkte ab und sprach: »Geht Euch nichts
an!«
Bruder Hilpert, auf keine andere als die ihm erteilte
Antwort gefasst, ließ sich vom raubeinigen Gebaren des Kriegsknechtes jedoch
nicht aus der Ruhe bringen. Er tat einfach so, als habe er den rauen Ton nicht
wahrgenommen, und antwortete mit honigsüßer Stimme: »Selbst wenn dies zuträfe,
mein Sohn – vielleicht kann ich dir trotzdem weiterhelfen?«
Kannst du nicht!, schien die Miene des bärtigen
Kraftpaketes zu sagen, doch im gleichen Moment, als sich seine und Bruder Hilperts
Blicke trafen, sah sie schon nicht mehr ganz so unfreundlich aus. »Jetzt lasst
euch halt nicht so lange bitten!«, murmelte er mit verdrossenem Gesicht,
während er zum wiederholten Mal an der Klingelschnur zog. »Dauert ja eine
Ewigkeit hier!«
»Mag sein, du hast recht, mein Sohn«, sprach Bruder
Hilpert in betont nachsichtiger Manier. »Wenngleich du bedenken solltest, dass
die Terz jeden Moment beginnt und außerdem heute …«
»Samstag, Sonntag, Weihnachten oder Karfreitag – ich
hab’s eilig, verdammt noch mal!«, grummelte der Kriegsknecht und zog an der
Schnur.
»Und warum – wenn man fragen darf?«
»Eine wichtige Botschaft. Was denn sonst?!«
»Was kann denn so wichtig sein, dass meine Brüder
deswegen ihre Gebete unterbrechen sollten?«
Der Kriegsknecht, alles andere als ein geduldiger
Mann, holte tief Luft und stierte Bruder Hilpert mit zusammengekniffenen Augen
an. »Brauchen sie auch nicht!«, erwiderte er in leicht abfälligem Ton.
»Abgesehen hab ich’s nämlich nur auf einen der hochgelehrten Herren!«
»Und der wäre?«, konnte Bruder Hilpert mit seiner
Neugier kaum noch hinterm Berg halten. Und fügte, als sich die Stirn des
Kriegsknechtes bedenklich zu wellen begann, hinzu: »Gut möglich, dass ich dir
weiterhelfen kann, mein Sohn.«
Der Kriegsknecht murmelte eine Verwünschung, aber da
sich sein Freund Berengar von Gamburg mitunter genauso verhielt, reagierte
Hilpert erst gar nicht darauf und sah den Reisigen mit gespielter
Treuherzigkeit an. Der wiederum hatte allmählich genug und bellte mehr, als
dass er sprach: »Der Empfänger meiner Botschaft heißt Hilpert. Bruder Hilpert.
Kennt Ihr ihn?«
*
»Um was geht es denn überhaupt?« Bruder Wilfried,
Stallmeister der Abtei, zog die
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