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Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Person, die Hölle auf Erden erlebt. Egal,
welchen Tag man schrieb.
    Genau dies galt es jedoch zu verhindern. Darüber, was
in der vergangenen Nacht vorgefallen war, durfte kein Mensch etwas erfahren.
Sonst wäre in der Stadt der Teufel los. Wenn er zum jetzigen Zeitpunkt etwas
nicht brauchen konnte, dann waren es Hader, Aufruhr und Gezänk. Ärger, Schulden
und Probleme hatte er nämlich schon genug am Hals.
    Ein Seufzer, halb ratlos, halb resigniert, drang aus
seiner Brust. Obwohl er sich nicht so leicht unterkriegen ließ, wirkte der
Bischof müde und deprimiert, und als er das Fenster schloss und sein Blick
dabei auf sein Spiegelbild fiel, wurde er starr vor Schreck.
    Der Mann mit den Augenrändern und dem übernächtigten
Gesicht – das war er. Aber eigentlich war er an seiner Misere selbst schuld.
Hätte er auf den Vogt des Grafen von Wertheim gehört, säße er jetzt nicht in
der Klemme. Heiliger Kilian hin oder her.
    Um sich abzulenken, nahm der Bischof den Brief zur
Hand, der ihm per Eilkurier überbracht worden war. Er hatte zwar alle Hände
voll zu tun, aber da es sich um eine Botschaft seines Amtsbruders zu Bamberg
handelte, blieb ihm die Lektüre wohl nicht erspart.
    Nachdem er das Siegel erbrochen und den Brief
auseinandergefaltet hatte, bekam er vor lauter Staunen den Mund nicht mehr zu.
An der Echtheit des Schreibens konnte es keinen Zweifel geben, aber was es
enthielt, klang so unwahrscheinlich, dass er es gleich noch einmal las. Und
unmittelbar darauf zum dritten Mal.
    Nach beendeter Lektüre musste sich Johann, Bischof von
Würzburg und Herzog von Franken, erst einmal setzen. Das heißt, er setzte sich
nicht, sondern sackte förmlich in sich zusammen. Wie lange er völlig regungslos
in seinem Ohrenbackensessel verharrt hatte, konnte er hinterher nicht mehr
genau sagen. Jedenfalls fand ihn sein Leibdiener, der um die neunte Stunde die
Gemächer betrat, in ebenjener Positur vor.
    »Bischöfliche Gnaden mögen die Störung verzeihen –
aber der von Euer Gnaden herbeizitierte Zisterziensermönch wartet darauf, Euch
seine Aufwartung zu machen.«
    Johann von Brunn fuhr erschrocken zusammen. Mit den
Gedanken immer noch bei dem Brief, kam er sich wie ein unaufmerksamer
Klosterschüler vor. Der Bischof richtete sich auf, zupfte seinen Ornat zurecht
und runzelte die Stirn. Hilpert von Maulbronn. Der allseits geschätzte, wegen
seines Scharfsinns mitunter sogar gefürchtete Bibliothekarius und Inquisitor.
Was immer bei dieser Begegnung herauskommen würde, er sah ihr mit gemischten
Gefühlen entgegen.
    Und nicht nur das. Obwohl er es nicht wahrhaben
wollte, machte sich Unsicherheit in ihm breit. Obwohl es für ihn keinerlei
Alternative gab.
    Er war auf diesen Mönch angewiesen. Antipathie hin
oder her. Wäre der Fall gelöst, würde er weitersehen.
     
    *
     
    Audienzzimmer
des Bischofs,
    Ende der neunten
Stunde (16.00 Uhr)
     
    »Fürstbischöfliche Gnaden lassen bitten.«
    »Na also – warum denn nicht …!«
    »Berengar – bitte!« Bevor sein Temperament mit ihm
durchging, schnitt Bruder Hilpert seinem Freund das Wort ab und folgte dem
Pagen zur Tür. Der Ritt nach Würzburg steckte ihm immer noch in den Knochen.
Mehr jedenfalls, als er zugeben wollte. Er hatte Hunger und Durst und die Warterei
im Vorzimmer der bischöflichen Gemächer gründlich satt. Im Unterschied zu
Berengar, aufbrausend wie eh und je, wirkte er jedoch wie die Ruhe selbst.
    Im Gefolge des Pagen, der mit wichtigtuerischer Miene
den Korridor entlangtänzelte, vorbei an den Bildnissen von Würdenträgern im
bischöflichen Ornat, beschlich ihn dann aber doch ein ungutes Gefühl.
Einerseits lag das natürlich an den Gerüchten, die über den Bischof und seinen
Lebenswandel im Umlauf waren. Galante Abenteuer, auch und vor allem solche mit
Folgen, ein Schuldenberg, der sämtlichen Gläubigern schlaflose Nächte
bereitete, Feste, die alles bisher Gekannte in den Schatten stellten – das war
Johann II., Spross derer von Brunn. Weshalb sich Hilpert überhaupt hatte
breitschlagen lassen, für einen Mann wie ihn die Kohlen aus dem Feuer zu holen,
wusste er selbst nicht so genau.
    Und natürlich war da auch noch sein letzter Fall, die
Aufdeckung der Satanistenverschwörung vor einem Vierteljahr. Ein Triumph für
ihn, keine Frage. Für ihn, keinesfalls jedoch für den bischöflichen Emissär.
Der nämlich hatte den Kürzeren gezogen und war von Hilpert nach allen Regeln
der Kunst ausmanövriert worden. Und das wollte bekanntlich etwas heißen.

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