Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Bedeutung?«
»Nicht dass ich wüsste. Und überhaupt – wer weiß, ob
das alles stimmt, was sich der Kerl da zusammengereimt hat!«
»Nicht gar so voreilig, Bruder Prior! Womöglich ist an
der Sache etwas dran.«
»Euer Gnaden sind also der Meinung, dass es diese
Rotte nichtswürdiger Schurken wirklich gibt?«
Als ein Mann, der höchst selten zu Spekulationen
neigte, tat sich Fürstabt Johann mit einer Antwort sichtlich schwer. Der Prior
indes gab so schnell nicht auf. »Gesetzt den Fall, es gäbe sie wirklich: Was
haben diese Kerle Euer Gnaden Meinung nach vor?«, hakte er nach.
»Gute Frage!«, erwiderte der Abt, wobei sein Tonfall
verriet, wie ernst er die Sache mittlerweile nahm.
»Euer Gnaden glauben also an eine Verschwörung? Eine
Verschwörung gegen die Heilige Mutter Kirche?!«
Anfänglich schien es, als habe Johann von Merlau die
Worte des Priors überhaupt nicht gehört. Dann aber gab er seine Zurückhaltung
auf und sprach: »Mag sein. Wenn wir auch zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht
wissen, wer hinter der Sache steckt. Zu dumm, dass dieser Frevler geflüchtet
ist!«
»Und die Reliquien des heiligen Bonifatius?«, winselte
der Prior, während sich sein pausbäckiges Gesicht merklich verkrampfte.
»Ein hartes, wenn nicht gar unmögliches Stück Arbeit,
sie wieder aufzutreiben!«, stellte der Fürstabt entmutigt fest. Und fügte nach
längerem Nachdenken hinzu: »Wie dem auch sei: Wir müssen unseren Amtsbruder zu
Würzburg von den hiesigen Vorgängen in Kenntnis setzen. Und zwar so schnell es
geht!«
»Weshalb denn?«
»Weil ihm dieser Kilian – vorausgesetzt, der Decknahme
ist nicht willkürlich gewählt – noch ordentlich zusetzen wird.«
»Ich fürchte, ich kann Euch nicht ganz folgen.«
»Kein Grund zur Scham, Bruder Prior!«, konstatierte
der Fürstabt in sarkastischem Ton. »Wer weiß denn heutzutage schon, wer im
Neumünster zu Würzburg begraben liegt!«
»Euer Gnaden wollen doch nicht etwa sagen, dass …«
»Und ob! Oder habt Ihr etwa vergessen, welches Fest in
genau vier Tagen gefeiert wird?«
Der Prior erbleichte. »Das Fest zu Ehren des heiligen
Kilian!«, stammelte er und schlug die Hände vor den Mund.
»Da capo!«, spendete Johann von Merlau hohnlächelnd
Applaus. »Und was hat das Eurer Meinung nach zu bedeuten, mein Sohn?«
»Nun, wenn man bedenkt, dass die Grabstätte des
heiligen Bonifatius unmittelbar vor seinem Ehrentag, dem Fünften im Monat Juni,
also vor exakt einem Monat, geschändet worden ist, dann …«
»Dann?!«
Bevor er aussprach, was der Fürstabt dachte, hielt der
Prior einen Moment inne, räusperte sich und sprach: »Dann steht zu befürchten,
dass den sterblichen Überresten des heiligen Kilian exakt das gleiche Schicksal
wie denjenigen des heiligen Bonifatius droht!«
6
Zisterzienserabtei
Bronnbach, Tertia (7.40 Uhr)
Dies würde kein Samstag wie jeder andere werden. Das wusste
Bruder Hilpert genau. Obwohl es keinerlei Anzeichen hierfür gab.
An und für sich war alles wie sonst. Gerade einmal
zwei Tage war es her, seit der neue Abt gewählt worden war, und seitdem war
wieder Ruhe eingekehrt. Endlich!, dachte Bruder Hilpert bei sich, freilich
nicht ohne seiner Erleichterung durch einen Stoßseufzer Luft zu machen. Die
Aufdeckung der Satanistenverschwörung hatte ihn viel Kraft gekostet, erheblich
mehr, als ihm lieb war. Wäre da nicht die Sorge um seinen Sohn, hätte er sich
schon längst auf den Weg nach Maulbronn gemacht.
Aber wozu sich überhaupt Sorgen machen? Vorausgesetzt,
der Junge log ihm nichts vor, ging es Alkuin offenbar ausgezeichnet. So
jedenfalls der Brief, den Bruder Hilpert gestern bekommen hatte, und eigentlich
gab es für ihn auch keinen Grund, daran zu zweifeln. Der Inquisitor vom Orden
der Zisterzienser konnte sich eines Schmunzelns nicht erwehren. Laetitia würde
schon für ihn sorgen, viel besser, als er, sein Vater und ehemaliger
Lehrmeister zu Maulbronn, es je hätte tun können.
Bruder Hilpert ließ Alkuins Brief wieder unter seiner
Kukulle verschwinden und ließ seinen Blick über den Talgrund schweifen. Der
Morgennebel hatte sich verflüchtigt, und der Dachreiter der Abteikirche
reflektierte das Licht der Sonne, die langsam, aber unaufhaltsam am östlichen
Horizont emporzusteigen begann. Es war vollkommen still, kein Laut, nicht
einmal der heisere Schrei eines Habichts, der am Himmel scheinbar unbeirrt
seine Kreise zog, war zu hören. Alles deutete auf einen ruhigen, einzig und
allein von den Ordensregeln
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