Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
stimmt?«
Witold wischte sich den Speichel von den Lippen, wandte
den Blick ab und sprach: »Schluss mit der Lügerei! Wie heißt der Bastard, der
hinter allem steckt?«
»Kilian.«
Der Fausthieb, welcher sich wie ein angespitzter Pfahl
in die Weichteile des jungen Mannes bohrte, raubte ihm fast den Atem. Und
dennoch war nicht einmal der Hauch eines Schmerzenslautes zu hören. Witold
stemmte die Hände in die Hüften und schüttelte den Kopf. »Wie viele seid Ihr?
Wer alles steckt hinter dieser Schweinerei?!«
»Acht.«
»Kompliment – du bleibst deiner Linie treu. Auch wenn
du nichts als ein verlogener kleiner Scheißkerl bist! Und ein Gotteslästerer
obendrein.«
»Wir sind acht – gekommen, all jenen die Augen zu
öffnen, die vom wahren Glauben abgefallen sind, die falschen Götzen huldigen,
nicht wissend, dass die Mächtigen dieser Welt den Glauben nur mehr als Mittel
ansehen, um ihre Kassen zu füllen!«
»Genug mit dem Geschwätz!«, fuhr Witold dazwischen,
krebsrot vor Zorn. »Entweder du spuckst jetzt sofort aus, wer hinter der
Sauerei steckt, oder …«
Weiter kam Witold nicht. Seiner Fesseln
ledig, landete der junge Mann urplötzlich auf dem Boden, setzte Witold mit
einem Fußtritt außer Gefecht und stieß seinen Kopf gegen die Wand. Dann löste
er den Schlüsselbund vom Gürtel des Vogtes, schloss die Zellentür auf und
verschwand.
*
»Und?! Ist er endlich bereit, zu reden?« machte
Johannes, Fürstabt zu Fulda, aus seiner Ungeduld keinen Hehl, als er am Ende
der Prim die Ratgar-Basilika verließ. Der Mann an seiner Seite, Prior der
Reichsabtei, machte ein ratloses Gesicht. Das kam recht häufig vor, sehr zum
Ärger des Abtes, der mit seinem Stellvertreter ohnehin alles andere als
zufrieden war.
»Dem heiligen Bonifatius sei’s geklagt – nein!«,
quakte der pausbäckige Benediktinermönch, zu dessen unverwechselbaren
Kennzeichen ein Paar abstehende Ohren gehörten, und watschelte demütig neben
dem Fürstabt her. »Jedenfalls nicht, solange ich bei den Verhören zugegen war!«
»Was soll das heißen?!«
In Erwartung einer Strafpredigt ließ der Prior die
fleischigen Hände im Ärmel seiner Kutte verschwinden, verschränkte die Arme und
neigte demütig das Haupt. »Das soll heißen, ehrwürdiger Vater, dass es weder
mir noch dem Vogt bis dato gelungen ist, diesen …«
»Dann zwinge Er ihn eben dazu!«, fuhr Abt Johannes das
armselige Häufchen Elend an seiner Seite an, und zwar so laut, dass die Brüder
in der Kolonne hinter ihm noch mehr Abstand wahrten als sonst. »Und wenn das
alles nichts nützt – dann lasse Er eben nach dem Blutvogt schicken! Mag der
weltliche Arm sich der Mittel bedienen, welche unseresgleichen das Gelübde verbietet.«
»Soll das etwa heißen, dass …«
»Das soll heißen, dass der Mann, welcher vor nunmehr
vier Wochen den abscheulichsten Frevel in der Geschichte dieser Abtei beging,
auf das Härteste bestraft werden muss, ist das klar?!«
»Aber wir können ihn doch nicht so einfach …«
Fürstabt Johann, normalerweise mit einem Übermaß an
Geduld gesegnet, am heutigen Samstagmorgen jedoch aufbrausend wie nie zuvor,
kniff die Augen zusammen, blieb abrupt stehen und sah seinen Prior wutentbrannt
an. »Ich weiß nicht, wie Ihr die Sachlage seht, Bruder«, zischte er mit
verkniffener Miene, »aber was mich betrifft, bin ich der Auffassung, dass
dieser Mann keinesfalls auf Gnade hoffen darf. Wer die Totenruhe des heiligen
Bonifatius stört, seine sterblichen Überreste verschwinden lässt und versucht,
im Schutze der Nacht zu entkommen, darf doch wohl schwerlich auf Milde hoffen,
findet Ihr nicht auch?«
Der Prior verzog das Gesicht zu einer Grimasse der
Demut und sah sich ängstlich nach seinen Mitbrüdern um, denen die Schadenfreude
über die Zurechtweisung des unpopulären Bruders förmlich ins Gesicht
geschrieben stand. Beim Anblick der Häme, die ihm von allen Seiten
entgegenschlug, keimte Wut in ihm auf, aber bevor er sich zu einer unbedachten
Äußerung hinreißen lassen konnte, hörte er den Abt neben sich sagen: »Oder seid
Ihr etwa anderer Meinung als ich?«
»Natürlich nicht, Vater Abt!«, winselte der Prior und
machte ein gequältes Gesicht, »wenngleich …«
Der Prior kam nicht mehr dazu, seinen Satz zu
vollenden, und dies war auch gut für ihn. Im Begriff, seinem Ärger lautstark
Luft zu machen, hielt Fürstabt Johann plötzlich inne und richtete den Blick zum
Portal. Der Morgen dämmerte herauf, ein weiterer wolkenloser
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