Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Agilulfs Auftraggeber, dem
mysteriösen Kapuzenmann, um ein und dieselbe Person handelte, konnte man auf
jeden Fall nicht völlig ausschließen.
Alles purer Zufall?
Doch wohl kaum.
Was in aller Welt hatten diese Vorfälle zu bedeuten?
Und, wichtiger noch, wer steckte dahinter? Johann von Brunn zermarterte sich
förmlich das Gehirn. Die rettende Idee indes blieb ihm versagt.
Eine Weile noch blieb Johann von Brunn wie zu einer
Salzsäule erstarrt stehen. Dann atmete er tief durch, faltete den Brief
zusammen und deponierte ihn in der Schatulle, in der sich der Pergamentstreifen
mit der Drohung des unbekannten Erpressers befand. Zeit für einen guten
Tropfen, dachte er bei sich, drehte sich auf dem Absatz um und begab sich zu
der Anrichte, die in unmittelbarer Nähe seines Schreibtisches stand. Im
Begriff, eine Karaffe mit Falerner, seinem Lieblingswein, zu öffnen und ihn
anschließend in einen silbernen Kelch zu gießen, hielt er jedoch unverrichteter
Dinge inne.
Die Karaffe in der rechten und den fein ziselierten
Kelch in der anderen Hand, blieb Johann von Brunn wie angewurzelt stehen. Es
war nicht irgendein Geräusch, das ihn irritierte. Das merkte er sofort. Es war
etwas anderes. Der Bischof hob die Nasenspitze leicht an, wie ein Raubtier, das
Witterung aufnimmt. Und atmete kurz darauf tief durch, als ihm ein
wohlvertrauter Duft in die Nase stieg.
Veilchen und Oleander. Eine dieser neumodischen
Grillen aus Frankreich. So recht nach dem Geschmack adeliger Damen.
Dorothea von Waldenburg. Er hätte es wissen müssen.
»Das nächste Mal tu mir bitte den Gefallen und klopfe
an!«, legte es von Brunn darauf an, möglichst gleichgültig zu klingen. Wie
immer, wenn es um Dorothea von Waldenburg ging, war sein Unterfangen jedoch
nicht von Erfolg gekrönt.
»Warum denn so barsch?«, hörte er die aufreizende
Stimme hinter seinem Rücken. »Du bist doch sonst nicht so!«
»Mag sein. Aber es gibt eben Tage, an denen es
wichtige Dinge zu bedenken gibt. Wichtigere jedenfalls als Frauen«, gab sich
der Bischof betont zugeknöpft und füllte seinen Kelch bis zum Rand.
»Das meinst du doch wohl nicht ernst!«
»Jetzt hör mir mal gut zu: Ich habe jetzt wirklich
keine …«
In einem leisen Anflug von Unmut stellte der Bischof
Karaffe und Becher ab, drehte sich auf dem Absatz um – und war sprachlos. Vor
ihm, so nah, dass er sie auf der Stelle an sich reißen und ihre üppigen
Rundungen hätte liebkosen mögen, stand die schönste Frau, die er kannte. Für
Johann von Brunn wollte das etwas heißen, stand er doch im Ruf, kein
Kostverächter zu sein.
»… Zeit?«, nahm ihm die dunkelhaarige Kurtisane mit
der schneeweißen Haut und den vollendeten Proportionen die Worte aus dem Mund.
»Das meinst du doch wohl nicht ernst?«
»Du wiederholst dich, meine Liebe!«, entgegnete der
Bischof, schon wesentlich versöhnlicher gestimmt. Es war so wie immer. Was auch
geschah, gegen diese Frau stand er auf verlorenem Posten. Ein kokettes Blinzeln
der dunkelblauen, mit geschwungenen Brauen überwölbten Augen, und es war um
Johann von Brunn geschehen. Dann gab es nur noch diesen sämtliche Sinne
betörenden Duft, das Rascheln ihres Gewandes aus blauem Damast und Dorotheas
sanft gewelltes Haar, das ihr in langen Wellen bis auf die entblößten Schultern
fiel.
Dorothea von Waldenburg hatte verstanden, auch ohne
viele Worte. Ein siegesgewisses Lächeln auf den Lippen, fuhr sie durch ihr
Haar, öffnete ihr Kleid und ließ es langsam zu Boden gleiten.
Johann von Brunn war so verblüfft, dass er den Mund
nicht mehr zubekam. Seine Kehle fühlte sich wie ausgetrocknet an, und sein
Blick hing wie gebannt an der jungen Frau, so überirdisch schön, als sei sie
von einem antiken Bildhauer in Marmor gemeißelt worden.
Dorothea von Waldenburg indes kannte sich mit Männern
aus. Nur noch mit einem Untergewand aus weißer Seide bekleidet, ging sie mit wiegendem
Schritt auf den Bischof zu, schlang die Arme um seinen Hals und sprach: »Oder
möchtest du lieber bis heute Abend warten?«
Der Bischof blieb ihr die Antwort schuldig, aber
Dorothea bekam sie auch so. Die nun folgende Umarmung war so heftig, dass sie
fast keine Luft mehr bekam. »Nicht gar so geschwind, Liebster!«, rief sie mit
halb ersticktem Lachen aus. »Wenn du so weitermachst, bringst du mich eines
Tages noch …«
Weiter kam die Kurtisane nicht, denn das Klopfen war
so laut wie die Glocken vor dem Jüngsten Gericht. Johann von Brunn fuhr
zusammen und richtete den Blick zur Tür.
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