Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Moment interessierte. Und nicht etwa Bischof Johann von
Brunn. Der konnte ihm nämlich gestohlen bleiben.
Zumindest bis morgen früh.
Berengar wurde nicht enttäuscht. »Sieglinde, du bist
ein Schatz!«, rief er aus, als seine Schwester das Essen auftrug. Und er hatte
auch allen Grund dazu. Der Vogt schnalzte genüsslich mit der Zunge.
Hühnerfrikassee mit Mandelmilch und Reismehl, dazu gefülltes Ferkel mit
Pasteten. Und zur Krönung Forelle. Die gesalzenen Heringe nicht zu vergessen,
aber die waren wahrscheinlich für Heribert bestimmt. Und dann erst der Wein!
Würzburger Stein, Jahrgang 1400. Die Welt war wieder in Ordnung. Aus Angst, die
anderen könnten seine Gedanken lesen, senkte der Vogt den Blick. Das ist sie
ganz bestimmt nicht!, dachte er schuldbewusst, aber ein bisschen Stärkung muss
hin und wieder sein!
Morgen war ja schließlich auch noch ein Tag.
In derlei Gedanken und geradezu himmlisch anmutende
Gaumenfreuden vertieft, bekam Berengar den Lärm vor der Haustür zunächst nicht
mit. Dafür war das Essen einfach zu gut. Erst als sich Heribert rasch erhob,
merkte auch er, dass etwas nicht stimmte, und schluckte den Rest seiner Pastete
rasch hinunter. »Was ist denn da drunten los?«, fragte er, Böses ahnend.
»Keine Ahnung!«, gestand sein Schwager achselzuckend
ein. »Falls es uns betrifft, werden wir es gleich erfahren!«
Bruder Hilpert, der die ganze Zeit über eher lustlos
auf seinem Teller herumgestochert hatte, hob den Kopf und sah Bruder Wilfried
fragend an. Der Stallmeister machte ein ratloses Gesicht, genau wie die übrigen
Anwesenden auch.
Was los war, sollten sie jedoch bald erfahren. Kaum am
Fenster, prallte der Hausherr verdutzt zurück. »Was ist, Heribert?«, hörte
Bruder Hilpert Sieglinde noch sagen, da flog auch schon die Tür auf und drei
Reisige des Bischofs betraten den Raum.
»Wer von euch ist Bruder Hilpert?«, bellte ihr
Anführer, ein bulliger Kriegsknecht mit einer Narbe auf der Stirn.
»Könnt Ihr mir vielleicht verraten, was das Ganze …«,
trat Berengars Schwager den Reisigen in den Weg, kam jedoch nicht dazu, seinen
Unmut zu äußern.
»So leid es mir tut, Meister Scheuermann, dafür ist
jetzt nicht genug Zeit!«, schnarrte der Kriegsknecht und ließ den Blick durch
die Stube schweifen. »Also: Wer von euch …«
»Ich bin es, den Ihr sucht!«, stellte Bruder Hilpert
mit Entschiedenheit klar. »Und wer seid Ihr, wenn man fragen darf?«
Im Begriff, Bruder Hilpert eine Lektion in Sachen
Unterwürfigkeit zu erteilen, überlegte es sich der Kriegsknecht jedoch anders.
Er wusste zwar nicht genau, warum, aber irgendwie wirkte der hagere Mönch
Respekt einflößend auf ihn. »Ein Befehl des Bischofs«, machte er einen
zaghaften Versuch, sein ungehobeltes Auftreten zu korrigieren. »Verbunden mit der
Bitte, Euch möglichst schnell auf die Burg zu begeben!«
»Was?! Soll das ein Witz sein? Ausgerechnet jetzt –
mitten in der Nacht?« Eine Mordswut im Bauch, hielt es Berengar nicht mehr auf
seinem Platz. Die Laune war ihm endgültig verdorben, und wäre Bruder Hilpert
nicht so reaktionsschnell gewesen, hätte es vermutlich Ärger gegeben: »Ich darf
doch wohl annehmen, dass es sich um etwas Wichtiges handelt!«, kam er einer
unflätigen Äußerung Berengars gerade noch zuvor. »Wenn nicht, würden wir jetzt
nämlich gerne zu Ende …«
»Bedaure, Bruder, aber das wird nicht möglich sein!«,
fiel ihm der Kriegsknecht mit Blick auf die zahlreichen Töpfe, Schüsseln und
irdenen Gefäße ins Wort. »Mein Befehl ist eindeutig. Bitte folgt uns. Und zwar sofort .«
»Ganz wie Fürstbischöfliche Gnaden wünschen!«,
entgegnete Berengar mit unüberhörbarem Spott, machte eine theatralische
Verbeugung und führte mit demonstrativer Gelassenheit eine weitere Pastete zum
Mund.
Der Kriegsknecht wurde feuerrot vor Zorn, doch war
Berengar klug genug, es nicht auf die Spitze zu treiben: »Nach Euch, wackerer
Krieger!«, fuhr er mit vollem Mund und einladender Geste fort, grinste Bruder
Hilpert an und verließ als letzter der drei Gefährten den Raum.
*
Galgenberg, kurz
vor Mitternacht
Er lebte allein hier droben, und es machte ihm auch
nichts aus. Drunten in der Stadt verachteten sie ihn. Weil er es war, der die
Drecksarbeit machte. Er war es, der die Gehenkten verscharrte. Aus dem
einfachen Grund, weil es niemand anderes tat. Selbst der Henker war sich zu schade
dafür.
Überhaupt – der Henker! Vor dem hatten sie wenigstens
alle Angst. Bei ihm war das anders.
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