Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Auftrag
zum Diebstahl der Reliquien bekam?«, hakte Berengar unerbittlich nach.
»Nicht viel mehr als Ihr selbst, Herr Vogt. Eins aber
weiß ich genau: dass er verdammt spendabel war.«
»Und wie viel war ihm die ganze Sache wert?«
»100 Gulden. Die Hälfte sofort, der Rest bei
Lieferung.«
In Gedanken bei den Geschehnissen der vergangenen
Nacht, krampfte sich Bruder Hilperts Seele zusammen, und er konnte sich eines
Fröstelns nicht erwehren. Hildegards unbeteiligte Miene trug das ihre dazu bei,
und so lautete sein Kommentar: »Eine hübsche Summe.«
»Wenn Ihr meint!«, entgegnete Agilulfs Frau in
verächtlichem Ton. »Da kennt Ihr den alten Halsabschneider aber schlecht!«
»Wie darf ich das verstehen?«
Hildegard funkelte Bruder Hilpert zornig an. »Ich
wüsste nicht, was es hier zu verstehen gibt«, keifte sie. »Wir haben Schulden,
und zwar mehr als genug! 50 Gulden – gut und schön! Aber halt nicht viel mehr
als ein Tropfen auf den heißen Stein.«
»Will heißen: Mit den 50 Gulden hätte Euer Mann gerade
einmal so seine Schulden begleichen können.«
»Stimmt. Zumindest die, von denen ich etwas weiß.«
»Und bei wem hat er sich das Geld geliehen?«
»Na, bei wem wohl? Beim Jud’!«
»Der da heißt?«
»Samuel Isaaksohn. Wohnt am Oberen Markt.«
»Und wie konnte es dazu kommen, dass er sich so viel
…«
»Hat borgen müssen, meint Ihr? So viel, dass er sich
ohne Weiteres ein Pferd hätte leisten können?« Gerade noch ein Häuflein Elend,
war die Frau eines Reliquienhändlers im Handumdrehen zur Furie geworden. »Wollt
Ihr das wirklich wissen, Bruder?«
»Sonst würde mein Freund doch wohl kaum danach fragen,
Weib eines …«
»Berengar, bitte.« Bruder Hilpert hob beschwichtigend
die Hand, klopfte Bruder Wilfried aufmunternd auf die Schulter und bewegte sich
langsam auf Hildegard zu. Der wiederum schien ihr Wutanfall plötzlich peinlich
zu sein, weshalb sie den Kopf demonstrativ abwandte und schwieg.
»Damit wir nicht den Faden verlieren –«, fuhr Bruder
Hilpert fort, in einem Ton, der jegliche Nachsicht vermissen ließ, »wie kam es,
dass Euer Mann derart tief in Schulden geriet?«
Hildegard rutschte unruhig hin und her, sagte aber
nichts. Bruder Hilpert indes verschränkte die Arme, mimte den Gleichgültigen
und wich keinen Zoll von ihrer Seite. Dies ging eine ganze Weile so. Dann aber
konnte es Hildegard nicht mehr aushalten und giftete: »Fragt doch den
Abdecker!«
»Wen?«
Hildegard verdrehte die Augen, aber Berengars grimmige
Miene sorgte dafür, dass sie umgehend gesprächiger wurde: »Eckehard Büttner,
Weinhändler von Beruf. Einer der reichsten Männer der Stadt.«
»Und warum dieser Beiname?«, insistierte der Vogt.
»Das fragt ihn lieber selbst!«, erwiderte Hildegard in
patzigem Ton.
»Von Spitznamen und ähnlichem Tand einmal abgesehen«,
schaltete sich Bruder Hilpert ein, »was hat Euer Mann überhaupt mit diesem
Abdecker zu tun? Insofern Ihr im Bilde seid, meine ich!«
Was als gezielte Hänselei gedacht war, sorgte dafür,
dass die Frau des Reliquienhändlers erneut in Rage geriet: »Mit Verlaub,
Bruder!«, geiferte sie mit hochrotem Kopf, wobei ihre Haube in eine
beträchtliche Schieflage geriet. »Seid Ihr so naiv oder tut Ihr nur so? Was
glaubt Ihr, wie unsereiner überhaupt sein Geld verdient?«
»Im Schweiße seines Angesichts, wie denn sonst?«
»Eure Häme behaltet lieber für Euch, Herr Vogt! Also
gut, Bruder – für den Fall, dass Eure Frage ernst gemeint ist: Mein Herr Gemahl
war dem Abdecker auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Und jetzt wollt Ihr
sicher wissen, wieso.«
»Exakt.«
»Weil er der Mann ist, von dem er seine Ware bezieht.
Sozusagen als Gegenleistung für …«
»… eine erkleckliche Summe Geldes, die in keinem
Verhältnis zu ihrem Wert steht.«
»Kompliment, Bruder. Ich habe Euch unterschätzt.«
»Mit anderen Worten: Ohne diesen Obolus wäre es Eurem
Gatten unmöglich gewesen, sein Gewerbe überhaupt auszuüben.«
»Weil er dann nämlich eines schönen Tages mit
zermalmtem Schädel im Rinnstein gelegen wäre«, ergänzte Hildegard in
sarkastischem Ton. »Ihr habt es erfasst, Bruder.«
»So ist das also!« Bruder Hilpert setzte eine
nachdenkliche Miene auf und fuhr mit Daumen und Zeigefinger über das glatt
rasierte Kinn. Die Stirn in Falten, stand er eine Weile regungslos da, darauf
bedacht, die Worte möglichst sorgsam zu wählen: »Kaum zu beneiden, Euer Herr
Gemahl, das muss ich schon sagen!«
»Was meint Ihr damit,
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