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Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
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meckerte: »Viel zu poetisch für den Floh.« Aber trotzdem gefiel ihm der Vorschlag.
     
    Erwin grinste nur darüber. Er wollte nicht zugeben, daß ihm der Name sehr gut gefiel. Er klang mächtig imponierend. Ein nächtlicher Sternenhimmel ist etwas sehr Schönes. Er kommt auch in Gedichten vor. Hoffentlich würden sie ihn wirklich »Sternenhimmel« nennen.
     
    Sie saßen zusammen in der »Höhle«. Die Höhle war eine halbverfallene Bretterbude hinter der Markthalle. Sie diente dann und wann als Lagerschuppen für die Untergrundbahn, denn sie war die Mündung eines Luftschachtes. Sie hatte kein Dach. Aus Kistendeckeln hatten sie sich mühsam etwas Dachähnliches aufgeschichtet. Das Dach war so niedrig, daß sie zur Not stehen konnten. Meist kauerten sie im Halbdunkeln, und das war spannend und unheimlich. Der Häuptlingssitz war mitten im Untergrundbahnschacht. Er war dunkel und kalt. Man mußte mächtig aufpassen, daß er nicht von der Bahnstrecke aus geöffnet wurde und die Schaffner oben Geräte abstellen wollten. Fenster gab es nicht, nur ein ganz schmales Guckloch. In dieser »Höhle« fütterten und züchteten sie Spinnen, die sie gelegentlich auf unliebsame Passanten losließen. Sie warfen oder setzten sie auf ihre Rücken und betrachteten sie als giftige Pfeile.
     
    Einmal hatten sich hier unten Ameisen eingenistet. Sie überlegten lange, ob sie diese Tiere nicht auch als Kampfmittel verwenden könnten. Kurt, der viele Jahre auf dem Lande gelebt hatte, zeigte bei dieser Gelegenheit zum erstenmal seine Überlegenheit. Er behauptete sofort: »Das geht nicht. Außerdem sind Ameisen nützlich.«
     
    »Eben darum«, brüllte Willi, der schon versucht hatte, die Tiere in eine Schachtel zu verpacken. Aber die Ameisen kamen in rasende Wut, brachen aus, rannten wie besessen über seinen Körper, zwickten ihn und alle, die ihnen zu nahe kamen. Da wurde der Versuch aufgegeben.
     
    Nun saßen sie in ihrer Höhle und warteten auf Willi und den kleinen Kurze. Sie wußten noch nicht, weshalb die Versammlung einberufen worden war. Heiner schwieg.
     
    Endlich kam Willi.
     
    Heiner begann. Er machte den Vorschlag. Erwin hätte doch kürzlich vorgeschlagen, das fremde Mädchen in die Clique aufzunehmen. Nun sei diese Mirjam zwar keine Indianerin, wie angenommen, und...«
     
    »Dachte ich mir ja gleich«, unterbrach Willi ihn und betrachtete höhnisch Erwin. »So schwindeln können eben nur Mädchen.«
     
    »... infolgedessen«, fuhr der lange Heiner unbeirrt fort, »auch nicht besonders befähigt zum Cliquenleben. Aber grundsätzlich meine ich, sollten wir doch versuchen, Mädchen in der Clique aufzunehmen. Sie sind nun einmal auf der Welt und können vielleicht sogar für uns nützlich werden.«
     
    Einige nickten zustimmend, andere lächelten über Heiners Feststellung.
     
    »Da ist doch zum Beispiel meine eigene Schwester Wally. Die jammert mir schon die ganze Zeit die Ohren voll und möchte so schrecklich gern zu uns in die Clique, um mit uns zu spielen. Ich muß sagen, ein tüchtiger Kerl ist sie. Warum sollten wir nun nicht einmal versuchen, mit Mädchen gemeinsame Sache zu machen, wenigstens probeweise. Es kann ganz vorteilhaft sein.«
     
    Emil brummte: »Is doch unter unsrer Würde. Mädchen klatschen, halten nicht dicht. Mädchen zetern und weinen bei jedem Dreck. Das weiß man doch.«
     
    »Klar, und bei jedem unsanften Puff geht es dann: ›Aua, aua, ich sag's meiner Mama.‹ Oder: ›Halt mal, meine Puppe, meine Puppe hat naß gemacht. Ich muß meine Puppe trockenlegen!‹« Der Gedanke, daß die Mädchen auch ihre Puppe mitbringen würden, löste ein großes Gelächter aus.
     
    Da hielt Erwin den Zeitpunkt für gekommen, um für Mirjam einzutreten. Er meldete sich zu Wort und brachte Mirjams eigene Wünsche vor. Das Fahrrad hob er sich als letzten Trumpf auf. Zuerst sprach er nur von Piddel. Dann führte er die Masken der Frau Manasse an. Er malte ihnen aus, was für einen tollen Spaß das wohl gäbe, wenn sie mit diesen Masken alle Nachbarn und Passanten erschrecken würden. Am Schluß seiner Rede war er selbst ganz berauscht von dem Reichtum, der mit Mirjam der Clique zufallen würde. Er bemerkte auch gut, wie die anderen näherrückten, staunten und sich begeisterten. Es war gar kein Zweifel mehr möglich, sie würden sicherlich zustimmen. Einige rieben sich schon vor Vergnügen die Hände und tuschelten leise.
     
    Aber Willi saß mit höhnischer, unheilverkündender Miene zwischen ihnen, und mit

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