Die Kinder der Elefantenhüter
Lukrativeres gefunden haben. Also ich bin dagegen, dass wir ihnen helfen. Ich finde, wir sollten den Dingen ihren Lauf lassen, und ich kann jetzt schon sagen, es geht total in die Hose!«
Jetzt sagt Aschanti etwas, und man muss sich schon ganz auf den Sinn konzentrieren, um nicht von der Stimme an sich absorbiert zu werden.
»Ich habe euren Vater und eure Mutter ja nie gesehen«, sagt sie. »Aber ich merke, dass ihr sie gern habt. Das ist entscheidend. Wenn man erst einmal jemanden liebt, geht es nie wieder weg.«
Nun, da sie kein Blatt vor den Mund nimmt, ergibt es plötzlich einen Sinn, dass sie Hohepriesterin ist, sie kann mühelos eine ganze Gemeinde in ihren Bann ziehen.
Zumindest zieht sie Hans in den Bann, er setzt sich hin.
Da klingelt Tiltes Handy, das eigentlich Katinkas ist, aber natürlich mit neuer SIM-Karte.
Sie geht ran, lauscht, ihr Gesicht wird ernst. Nach etwa einer Minute ist das Gespräch zu Ende, sie legt das Telefon hin.
»Das war Leonora«, sagt sie. »Sie macht sich Sorgen. Wir sollen sie in einer Viertelstunde treffen.«
Das Institut für buddhistische Studien liegt am Nikolaj Plads, gleich hinter der Kirche, alles dort atmet Friede und Idyll. Auf dem Platz sitzen Menschen an Cafétischen und genießen die besondere dänische Mixtur aus Verbrennungen zweiten Grades im Gesicht und Frostbeulen an den Zehen, weil in der Sonne siebenundzwanzig Grad und im Schatten unter den Tischen Minusgrade herrschen. Von außen gleicht das Gebäude einem Haus, das bis zum Boden mit Erinnerungen an die Geschichte Dänemarks angefüllt ist, der Eingang erinnert an ein Kirchentor, und an der Wand verkündet ein Schild mit goldener Schrift, dass hier bis zu seinem allzu frühen Ableben Anno Domini 1779 der berühmte dänische Dichter Sigurd Schädelschläger lebte.
Aber drinnen herrschen andere Sitten. Wir werden von einem kleinen rotbekleideten Mönch empfangen und hineingeführt, dort öffnet sich das Haus zu einem Säulengang um einen Hofgarten mit Springbrunnen herum, und an jeder Ecke steht eine Wache. Im Auto hat Tilte erzählt, Leonora definiere den Ort als eine Art Kloster und Universität, hier sollten der Dalai Lama und der 17. Karmapa während der Konferenz wohnen, und es wimmelt bereits von Sicherheitspersonal, das dänische, wahrscheinlich Lars’ und Katinkas Busenfreunde aus dem Polizeilichen Nachrichtendienst, trägt Sonnebrille und Headset, das tibetanische besteht aus Burschen, die groß wie amerikanische Basketballer sind und breit wie ein Fußballtor.
Trotzdem hat der Ort eine Atmosphäre, die in einem den Wunsch aufkommen lässt, Mönch zu werden, so erging es mir eigentlich immer, und nach Connys Weggang ist das Gefühl nur noch stärker geworden, wenn ich irgendwann ein Kloster mit einer starken ersten Mannschaft finde, werde ich den Schritt ernstlich erwägen, außerdem muss es schon eine intime Zusammenarbeit mit einem nahen Nonnenkloster geben, denn selbst wenn natürlich nach Conny für mich keine andere mehr in Frage kommt und ich für immer allein sein werde, möchte man doch auf weibliche Gesellschaft nur ungern verzichten.
Wir werden über Treppen und Gänge in ein kleines Zimmer geführt, von dem man über das Dach der Nikolajkirche schauen kann, am Tisch sitzt Leonora vor ihrem Rechner, aber wie die fröhliche, lächelnde Coachingexpertin, die sie sonst immer ist, sieht sie nicht aus.
Sie wirft einen raschen Blick auf Aschanti, aber Tilte und ich nicken nur. Dann setzen wir uns im Halbkreis vor den Bildschirm.
»Wenn man etwas in einem Computer löscht«, sagt Leonora, »löscht man es in der Regel doch nicht, auch wenn die Leute das denken. Was man löscht, sind sogenannte File Pointers oder elektronische Adressen, aber die Info selbst bleibt in anderen Adressenbereichen liegen. Das wussten eure Eltern nicht. Das heißt, die Stunde, die sie entfernt haben, lebte weiter, sie war versteckt, aber intakt.«
Das Bild des Ausstellungsraums erscheint auf dem Schirm, es ist Tag, man sieht Handwerker an den Vitrinen arbeiten, auch an einer Bühne im hinteren Bereich des Raums. Leonora lässt die Aufnahmen in normaler Geschwindigkeit laufen. Auf den Overalls der Arbeiter siehtman die Firmennamen, und man spürt förmlich, dass die Stimmung anders ist als an normalen Arbeitsplätzen, alle haben weiße Handschuhe an, und sie arbeiten still und präzis wie Labortechniker. Man sieht, wie sie hinter sich sauber machen, und ich meine sauber, sie könnten sich sogar mit mir
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