Die Kinder der Elefantenhüter
verebbt, Thorlacius findet seine Stimme wieder.
»Und die Kinder«, sagt er. »Die Entwichenen. Wir haben Grund zu der Annahme, dass sie sich in Kopenhagen aufhalten. Wir glauben, wir haben sie auf dem Schiff gesehen. Verkleidet. In meiner Eigenschaft als Psychiater bin ich der Meinung, dass sie eine ernsthafte Gefahr für ihre Umgebung darstellen.«
Am anderen Ende wird ihm etwas entgegnet, das Thorlacius zwingt, sich zu setzen.
»Aha«, sagt er.
Er tastet nach Papier und Bleistift, mit den Händen auf dem Rücken ist das nicht einfach.
»Warum ein Kode«, sagt er. »Mein Name reicht üblicherweise aus. Ich bin eine prominente Person des öffentlichen Lebens. Unter anderem aus dem Fernsehen bekannt.«
Was ihm nun am Telefon geantwortet wird, empört Thorkild Thorlacius offensichtlich, denn als am anderen Ende aufgelegt wird, versucht er dem Hörer einen Kopfstoß zu verpassen.
»Kein Respekt, der Mann«, sagt er. »Er meinte, ich soll die Pfeife einstecken. Mich nicht einmischen. Er hatte die Frechheit zu sagen, wir sollten uns ein anderes Hobby suchen, als die Polizei zu überfallen. Er schlug Lapdance vor. Was ist das!?«
»Das ist seine Jesuitennatur«, sagt Anaflabia Borderrud. »Man sagt, er sei katholischer Priester gewesen, bevor er zur Polizei ging.«
»In den Ministerien nennt man ihn den Kardinal.«
Das ist Alexander Finkeblods Stimme. Sie kommt aus dem angrenzenden Raum, deshalb hatte ich ihn nicht gesehen.
»Er hat es bis ganz nach oben geschafft«, fährt Alexander fort. »Hat einen der höchsten Posten bei Interpol. Er ist extra nach Hause geholt worden und ist für die Sicherheit der gesamten Konferenz verantwortlich.«
Seine Stimme klingt andächtig. Man darf vermuten, dass Spitzenposten im Ausland zu Alexander Finkeblods heißesten Träumen gehören.
»Er hat auf einem Kode bestanden«, sagt Thorkild Thorlacius. »Mit dem wir uns ausweisen sollen, wenn wir in die Konferenz wollen. Ich hab das noch nie nötig gehabt, mich bei offiziellen Gelegenheiten ausweisen zu müssen. Ich werde mit meinem sehr, sehr guten Freund, dem Innenminister, über diese Angelegenheit sprechen.«
Ich hebe den Deckel von der Platte mit dem warmen Rührei und den Cocktailwürstchen. Der Duft zieht Thorkild Thorlacius geradezu aus seinem Stuhl.
Das gibt mir Gelegenheit zu zwei Dingen. Erstens, den Zettel, auf dem Thorlacius den Zugangskode notiert hat, in meiner Tasche verschwinden zu lassen. Zweitens, mich so zu plazieren, dass ich in das andere Zimmer sehen kann. Alexander Finkeblod liegt auf einer Chaiselongue, Sekretärin Vera sitzt neben ihm und massiert ihm die Kopfhaut.
Dieser Anblick erfüllt mich mit tiefer Freude. Er ist ein Beweis für die verwandelnde Kraft im Verhältnis zwischen Mann und Frau. Vor nicht einmal vier Stunden gab es keinerleiGrund, Veras Aussage gegenüber der Polizei anzuzweifeln, dass sie auf die Berührung von Männern gut verzichten könnte. Und bis zu dieser Sekunde war ich wie die meisten andern auf Finø davon überzeugt, dass es nicht in der Menschen Macht liegt, jemanden aufzustöbern, der Alexander Finkeblod freiwillig streicheln würde – die einzige Ausnahme war möglicherweise Baronesse.
Beide Vorurteile sind nun wie ein Kartenhaus in sich zusammengefallen.
Das gibt mir phantastischen Auftrieb, wodurch ich ein klein wenig von meiner felsenfesten Fassung verliere. Ich hebe meine Sonnenbrille so weit an, dass gerade meine Augen frei sind und ich Finkeblod zuzwinkern kann, gleichsam, um ihn zu beglückwünschen.
Mir ist sofort klar, dass ich damit den Bogen mindestens bis zum Zerreißen spanne. Ich beeile mich also, den Rolltisch aus dem Zimmer zu schieben, gebe Max seine Jacke zurück, setze ihm Aschantis Brille auf die Nase, stopfe ihm die fünfhundert Kröten in die Brusttasche und flüstere: »Wir sehen uns auf dem Spielfeld!« Dann drücke ich den Knopf, der den Aufzug ruft.
Hinter mir war ein Gurgeln, Handschellengeschepper und ein schwerer Fall zu hören. Höchstwahrscheinlich hatte Alexander Finkeblod versucht, unmittelbar aus seiner liegenden Stellung von der Chaiselongue aufzuspringen.
»Der Diener, der Junge! Das war er! Peter Finø! Dieser kleine Satan!«
Ich höre, wie Anaflabia und Thorlacius ihn zurückzuhalten versuchen.
»Ganz ruhig«, sagt Thorlacius. »Wir sind alle gestresst. Alle Untersuchungen bestätigen, dass wir in solchen Situationen halluzinieren …«
Der Aufzug kommt, ich gehe hinein. Alexander Finkeblod schießt aus seinem Zimmer, und
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