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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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Brille und ein Taschenkalender aus braunem Leder.
    Ich schleiche zu dem Tischchen. Aus einem angrenzenden Raum höre ich, wie sich jemand die Haare bürstet. Ich schlage den Kalender unter Z wie »Zuhause« auf. Alle Menschen haben Handys, keiner weiß mehr seine Festnetznummer, wir daheim in Pfarrhaus jedenfalls nicht.
    Pallas Athene offenbar auch nicht. Unter »Zuhause« stehen sechs Zahlen, die ich in meinem Handy speichere, hoffentlich überwacht der PND nicht meine Kontaktliste. Eine Adresse finde ich nicht. Ich schließe das Büchlein. Ich weiß nicht, warum ich hineingeschaut habe. Vielleicht wollte ich wissen, ob Göttinnen auch eine Privatadresse haben.
    Ich setze mich auf einen Stuhl, auf die Kante.
    Pallas Athene hält ihren Einzug.
    Ich würde sie auf hundertachtundachtzig Zentimeter ohne Schuhe schätzen. Eine Größe, die sie, wenn sie nur ein bisschen mit dem Ball umgehen kann, im Finø Boldklub sofort als Guard in die erste Frauenmannschaft im Basketball bringen würde.
    Aber sie ist nicht ohne Schuhe, sie hat ein Paar rote High Heels an, die ihr mindestens fünfzehn Zentimeter extra schenken. Dazu trägt sie eine rote Perücke und darauf den von den Havannas des Hauses bekannten griechischen Helm.
    Darüber hinaus trägt sie nichts anderes als ein rotes Höschen, dicken Lippenstift und ein breites Lächeln, das allerdings nur eine kurze Haltbarkeit hat, denn als sie mich sieht, verschwindet es sang- und klanglos.
    Ich möchte gerne darauf aufmerksam machen, dass ich eine unbekleidete Frau normalerweise nicht in allen Einzelheiten beschreibe, nicht einmal mir selbst. Wenn ich meinem Prinzip nun ausnahmsweise untreu werde, dann nur aus pädagogischen Gründen, um dir nämlich klar zu machen, wem oder was ich hier gegenüberstehe.
    Ich möchte darauf hinweisen, dass die Brüste der Frau nicht einfach groß sind, sondern groß wie Basketbälle und so prall, dass man eine Schnur daran befestigen und sieden Kindern im Vergnügungspark Friheden in Århus als Luftballons verkaufen könnte.
    Sie bleibt regungslos stehen und sieht mich an, dann nimmt sie eine Art Kimono vom Bett, hüllt sich darin ein, setzt sich, nimmt den Helm ab und legt ihn auf den Tisch.
    Aus ihrer Miene geht hervor, dass wir uns nicht mehr unter der Sonne des Südens befinden, sondern nördlich des Polarkreises …
    »In deinem Alter«, sagt sie, »brauchen wir eine Unterschrift von den Eltern.«
    »Das wird schwer«, sage ich, »weil sie nämlich verschwunden sind. Deswegen bin ich ja hier. Sie haben nur den Namen dieses Etablissements hinterlassen.«
    Ich reiche ihr den Zettel mit Mutters Notiz, sie nimmt die Brille vom Tisch, wirft einen Blick darauf und gibt ihn mir zurück.
    »Wie heißen deine Eltern?«
    Ich sage ihr die Namen. Sie schüttelt den Kopf. Sie lässt mich nicht aus den Augen.
    »Sagt mir nichts. Wo hast du die Adresse her?«
    Ich antworte nicht. Ich will den Grafen nicht verraten.
    »Und das Passwort«, fährt sie langsam fort, »wo kommt das her?«
    Ich kann nicht antworten, ohne die Untaten meiner Mutter und meines Vaters offenzulegen. Also sage ich nichts.
    »Das ist wichtig für uns«, sagt sie. »Das Passwort.«
    Jetzt liegt etwas Gefährliches in ihrer Stimme. Jetzt beachtet man kein Outfit mehr und keinen Lippenstift. Jetzt ist nur noch das Gefühl übrig, einem Menschen gegenüberzusitzen, der echt viel Willensstärke hat und weiß, wie er sie benutzen muss.
    Sie muss auf irgendeinen Knopf gedrückt haben, denn plötzlich steht der Lustmörder neben mir, ich habe ihn wieder nicht kommen hören.
    »Andrik«, sagt sie, »der Junge hat ein Passwort, das ihm nicht gehört. Und er hat keine Lust, uns zu verraten, wo er es herhat.«
    Andrik nickt bekümmert. Ich sitze zwei beunruhigten Menschen gegenüber.
    »Ich könnte ihn im Dampfbad ausfragen«, sagt Andrik.
    Zu Andriks Befragetechniken kann man nur Vermutungen anstellen. Aber es wirkt nicht sehr wahrscheinlich, dass er einem die Antworten mit Pfefferminztalern und aufmunternden Zurufen entlocken will. Sondern eher, indem er einem den Schädel in den Dampfstrahl hält und ihn hinterher gegen die Fliesen knallt.
    »Ich bin Tellerwäscher«, sage ich. »Ein Gast hat die Bauchbinde seiner Zigarre im Restaurant liegenlassen. Auf der Binde standen Adresse und Telefonnummer. Das Passwort stand auf der Innenseite.«
    Sie sehen mich an. Dann nickt die Frau.
    »Könnte so gewesen sein«, sagt sie. »Andrik. Begleitest du ihn hinaus? Über die Hintertreppe.«
    Der Mann

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