Die Kinder der Elefantenhüter
Pallas Athene. Wär also nett, wenn du aufmachen würdest.«
Das Tor gleitet auf. Aber ich habe doch ein Zögern in ihrer Stimme vernommen.
Keine Ahnung, ob die Häuser am Gammel Strand außen schon immer aus Fachwerk und kleinsprossigen Fenstern bestanden und innen aus griechischen Tempeln, aber so tritt mir jetzt zumindest dieser Eingang entgegen.
Die Treppe ist breit wie eine Landstraße und von Säulen flankiert, und alles ist aus Marmor. Sie führt zu einem Empfang mit noch mehr Marmor empor, hinter einem Schreibtisch sitzt eine Dame mit hellem Haar, griechischen Sandalen und einer Toga, die dermaßen dekolletiert ist, dass man Schwierigkeiten bekäme, wenn man sich strikt an die Wahrheit halten müsste und gefragt würde, ob sie nun nackt oder bekleidet gewesen sei.
An den Wänden sind Kalkmalereien, aber der Stil ist nicht ganz der gleiche wie in der Stadtkirche zu Finø, denn diese hier stellen nackte Männer und Frauen dar, sie trinken Rotwein aus Gefäßen, die aussehen wie Suppenschüsseln, oder bekommen mit Fastnachtsruten Schläge auf den Allerwertesten oder sitzen mit melancholischem Gesichtsausdruck auf Bänken und Stühlen, vielleicht sind sie der Meinung, sie seien jetzt mit der Suppenschüssel und der Fastnachtsrute dran, vielleicht wissen sie nicht, wer ihnen die Kleider geraubt hat.
»Du siehst jung aus.«
Auf Finø und an anderen Orten Dänemarks hat eine philosophische Richtung Schule gemacht, die besagt, dass dekolletierte Blondinen warmherzig, aber hohlköpfig seien.Die Frau vor mir versetzt dieser Theorie den Todesstoß. Sie ist kühl wie ein Weinkeller und hat eine Ausstrahlung, als verarbeitete sie Informationen mit Hochgeschwindigkeit.
»Die meisten, die so etwas einmal gesagt haben«, entgegne ich, »bedeckt nun die kühle Erde der dänischen Gottesäcker im Land.«
Sie muss kichern, trotzdem befindet sie sich in einer Art Dilemma, ich weiß aber nicht welchem, ich dribble weiterhin im Dunkeln.
»Andrik begleitet dich«, sagt sie.
Der Mann hinter mir kam so leise heran, dass ich ihn nicht gehört habe. Er trägt ebenfalls eine Toga, und seine Frisur gleicht der einer griechischen Statue. Welchen Gott er darstellen soll, kann ich leider nicht sagen – als die griechische Mythologie durchgenommen wurde, habe ich gefehlt, kam selten vor. Aber falls Lustmörder einen Schutzgott haben, könnte er den darstellen, es wäre eine plausible Vermutung. Er ist gebaut wie ein Zehnkämpfer, hat babyblaue Augen und eine Aura, die ich von den allergefährlichsten Typen auf dem Spielfeld kenne, Menschen, die vor lauter großen Talenten glänzen, die sie in den Dienst einer bösen Sache gestellt haben.
Er öffnet mir eine Tür, und wir betreten einen Raum, der einem die letzte Hoffnung raubt, dass dieses Gebäude noch etwas mit dem alten Kopenhagen zu tun hat, falls man so eine Hoffnung je hatte. Er misst mindestens zweihundert Quadratmeter und hat ein Glasdach, durch das man den blauen Himmel sieht, und so viele Pflanzen, dass sie das große Gewächshaus im Botanischen Garten in Århus ausfüllen könnten.
Aber es ist nicht der Botanische Garten, denn die Pflanzensind so angeordnet, dass sie kleine Abteilungen bilden, und in jeder steht eine Marmorwanne, in der sich Männer aalen und sich von jungen Fräulein hinter den Ohren waschen lassen, Fräulein übrigens, die Zwillingsschwestern der Empfangsdame sein könnten, aber wahrscheinlich sind sie es doch nicht. Inmitten des Raums steht ein Tisch mit Champagner in Kühlern, leider bleibt mir keine Zeit festzustellen, welcher der alkoholfreie ist, außerdem habe ich keinen Durst. Und es gibt ein kühlschrankähnliches Möbel, mit Lampen, einem Feuchtigkeitsmesser und einer Glastür, hinter der man Kistchen mit Havannas sieht. Ich möchte wetten, dass deren Bauchbinde genauso aussieht wie die von Graf Rickardts Zigarre.
Jetzt öffnet Andrik eine Tür, die zu einem Umkleideraum aus Marmor führt.
»Hier kannst du dich ausziehen«, sagt er. »Und dann gehst du geradeaus weiter.«
Auf einer Bank liegt ein Badelaken aus weißem Frottee, das die Größe und Dicke eines Eisbärenfells hat. Als Andrik weg ist, lege ich mir das Laken über die Schulter und gehe in den nächsten Raum.
Hier ist Schluss mit dem Marmor. Dafür ist hier alles golden und rot, und es gibt zwei Podien. Auf dem einen steht ein Doppelbett, auf dem anderen ein Bidet.
Auf einem Tischchen hat jemand eine Tasse Kaffee vergessen, die noch dampft, neben der Tasse liegen eine
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