Die Kinder der Elefantenhüter
Norwegen, Deutschland und den USA. Nahezu siebentausend Personen. Wir haben Überwachungshubschrauber und die Küstenwache im Einsatz. Wir werden vom Zivilschutz und von der Feuerwehr unterstützt. Während wir hier miteinander geplaudert haben, wurde die Fahndung ausgeschrieben, alle haben ihr Foto. Wir werden sie schon finden, verdammt noch mal!«
Wir sitzen im Jaguar mit Aussicht auf den Platz und den Nyhavn und haben Hans und Aschanti angerufen, es stellt sich heraus, dass sie es nur bis zu einer Bank für Verliebte mit Blick auf den Hafen geschafft haben. Jetzt haben sie uns hier getroffen. Wir haben ihnen die Lage erklärt, Pallas Athene lässt den Motor an, und ich merke, dass sie jetzt anders fährt als auf dem Hinweg, gleichsam geistesabwesend. Was aber vielleicht verständlich ist, wenn man bedenkt, wie unvermittelt sie mit unseren Familienverhältnissen vertraut gemacht wurde.
Ich bin so traurig, dass es an Verzweiflung grenzt. Wie oft sind Tilte und ich bei unseren intensiven religiösen Studien auf die Empfehlung all der großen Lehrergestalten gestoßen, erlebtes Leid als Riesenchance und Glück zu begreifen und die Einstellung zu haben, es wirklich auszukosten und nicht einen Tropfen des Leids zu vergeuden!
Leichter gesagt als getan, und wenn es glückt, kann man nicht alles auf einmal im Blick haben, zum Beispiel seine Gliedmaßen, und jetzt zieht meine Hand ein Stückchen Karton aus der Tasche. Es ist der Karton, den ich zwischen den Bildern in Connys Wohnung gefunden habe, ehe alles seinen Lauf nahm, so dass ich ihn gar nicht mehr näher angesehen habe. Es ist eine Visitenkarte mit geprägtem Kreuz. Neben dem Kreuz steht Catholic University of Denmark . Die Adresse ist in der Bredgade. Darunter steht der gute dänische Name Jakob Aquinas Bordurio Madsen.
Was nun in meinem Innern vor sich geht, ist schwer zu erklären und unmöglich zu entschuldigen. Aber durch mein Hirn sprüht ein Wahnsinnsfunke, und wie ein Donnerschlag folgt der Gedanke: Was kann die Tatsache, dass die Karte in Connys Wohnung liegt, anderes bedeuten, als dass Jakob Bordurio, der Puma von Ifigenia Bruhns Tanzinstitut, Jagd auf Conny gemacht hat?
Ich weiß, was du sagen willst: Ob ich nicht gerade dabei sei, der Trauer über Tiltes Verschwinden spirituell zu begegnen? Und warum ich dann anfinge, von Jakob und Conny zu phantasieren, und du hast völlig recht, darüber kann man nichts anderes sagen, als dass unter allen Dämonen der Weltreligionen die Eifersucht die Mannschaftsführerin ist und bleibt.
Im nächsten Augenblick beruhige ich mich. Denn es muss Tilte gewesen sein, die die Visitenkarte hinterlassen hat. Und Conny ist vierzehn, während Jakob schon siebzehn ist, und es gibt keinen Nachweis in der Geschichte, dass Conny jemals älteren Männern nachgestiegen wäre. So dass meine gesunde Vernunft schlicht mit der Frage zurückkehrt, warum Tilte die Karte hinterlassen hat. Denn wie gesagt, Tilte verliert nicht einfach etwas. Alles spricht dafür, dass sie die Karte absichtlich fallen ließ, als Spur.
Wir biegen rechts ab und fahren eine schmale Gartenanlage entlang, an deren Ende wir den Hafen sehen können. Basker winselt, er ist auch wegen Tilte beunruhigt, ich drehe die Karte um, auf der Rückseite hat Tilte mit Kugelschreiber die Zahl 13 notiert.
Die 13 ist Tiltes Lieblingszahl. Sie sagt, die Zahl sei besser als ihr Ruf, sie ist selber an einem 13. geboren und findet es sehr erfreulich, dass die Adresse des Pfarrhauses Kirkevej Nr. 13 lautet. Überdies gab Graf Rickardt, der sichmit Numerologie auskennt, eine längere Erklärung ab, an die ich mich nicht mehr erinnern kann, die aber davon handelte, wie gut die Zahl zu Tilte passt.
Warum sie aber die Zahl auf Jakobs Visitenkarte schrieb, ist mir nicht so unmittelbar klar.
Klar ist hingegen, dass wir an Jakob herankommen müssen, denn die Karte deutet darauf hin, dass Tilte einen Besuch bei ihm meinte, als sie vorhin sagte, sie habe noch etwas zu erledigen.
»Wir müssen einen kleinen Umweg machen«, sage ich. »Über die Bredgade.«
In dem Moment ereignen sich verschiedene Begebenheiten kurz hintereinander.
Als erstes reißt Pallas Athene das Steuer herum, zieht den Jaguar auf den Bürgersteig und steigt auf die Bremse, so dass wir mit quietschenden Reifen und einer Brise versengten Gummis zum Stehen kommen.
»Ich hab’s!«, ruft sie.
Was sie hat, erfahren wir nicht, weil jetzt auf das Dach des Jaguars geschlagen wird, und das ist kein höfliches
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