Die Kinder der Elefantenhüter
ist zum Bersten gefüllt, ist keine Übertreibung. Man muss bedenken, dass mein großer Bruder strenggenommen schon ein Auto für sich allein benötigt. Aber es ist nicht der rechte Zeitpunkt, über den mangelnden Komfort unserer Sitzung zu klagen.
»Ich möchte gerne mit Tilte sprechen«, sagt Jakob.
»Zu spät«, sage ich. »Sie wurde entführt.«
Er erbleicht vor unseren Augen, was mir zweierlei verrät: Dass er etwas darüber weiß, was Tilte und uns umtreibt. Und dass, obwohl er eine Visitenkarte und eine Berufung erhielt und obwohl der Rosenkranz seit seinem Weggang von Finø nicht stillstand, sein Herz mit Tilte nicht fertig ist.
Ich halte ihm die Visitenkarte hin.
»Sie hat sie fallen lassen, als sie verschleppt wurde«, sage ich. »Sie muss mit dir gesprochen haben.«
Sein Blick flackert.
»Die Polizei«, sagt er.
»Ist informiert. Sie wird gesucht. Nach dem Auto, in dem sie entführt wurde, wird gefahndet. Jetzt warten wir nur darauf, was du weißt.«
In ihm arbeiten starke Kräfte. Welche Kräfte genau ist unbekannt. Aber eine davon ist die Liebe. Sie gewinnt.
»Sie war vor anderthalb Stunden bei uns.«
»Wer ist ›uns‹?«
»Die Katholische Universität. Sie hat mich dort aufgesucht. Und mir alles erzählt. Sehr kurz, aber alles. Über euern Vater und eure Mutter. Das geplante Attentat. Ich habe sie zu einem Offizier gebracht.«
»Einem Offizier?«
»Einem Offizier des Vatikans. Er ist wegen der Konferenz hier. Der Vatikan hat seinen eigenen Nachrichtendienst. Zehnmal größer als der dänische.«
Er sagt es mit gewissem Stolz, als vergliche er den AC Mailand mit dem Finø Boldklub.
»Er wusste davon. Er wusste auch, dass die dänische Polizei die Sprengladung entschärft hatte. Aber er wusste nichts von euern Eltern.«
Ich bin enttäuscht. Was er erzählt, ist nicht neu. Man hatte trotz allem gehofft, dass Jakob Aquinas ein bisschen mehr zu bieten hätte als einen stilvollen englischen Walzer.
»Wieso hat Tilte deine Karte zurückgelassen?«, frage ich. »Was wollte sie damit sagen?«
Er schüttelt den Kopf. Ihm fällt nichts dazu ein.
»Worüber habt ihr gesprochen?«, frage ich.
»Spadillo, der Offizier, hat erzählt, wie die vier Schweber vermutlich finanziert werden.«
Jetzt merke ich es. Wie beim Fußball. Der Torwart hat abgestoßen, die Situation war schlammig-undurchsichtig, aber plötzlich legt sich der Schlamm, und das Wasser wird klar.
»Ich versteh nichts von Politik«, sagt Jakob. »Es war irgendwas mit Waffen. Es ist ein Syndikat. Von großen Waffenlieferern. Offiziell verkaufen sie nur an organisiertenationale Verteidigungen, sanktioniert von den Vereinten Nationen. Aber in Wirklichkeit verkaufen sie an jeden x-Beliebigen. Sie haben eine Art Lobbytätigkeit. Der Vatikan und die dänische Polizei meinen, sie hätten das hier bezahlt. Ich weigere mich, das zu glauben. Es wäre eine große Sünde. Anstößig, findet ihr nicht?«
Ich lege ihm eine Hand auf die Schulter.
»Unter aller Kritik«, sage ich. »Wurden Namen genannt, Jakob?«
Er versucht nachzudenken. Es ist offensichtlich, dass es ihm lieber gewesen wäre, wenn ich ihn gebeten hätte, einen Foxtrott zu tanzen.
»Ein Schiffsreeder. Da war was mit einem Schiffsreeder.«
Ich zeige auf die 13 auf der Visitenkarte.
»Und das hier, Jakob? Hat das mit dem Reeder zu tun? Eine Adresse? Eine Telefonnummer?«
Er ist unglücklich.
»Ich war abwesend. Sie saß dort. Tilte. Die Sonne fiel vom Garten herein. Durch die Baumkronen. Sie glich der Heiligen Jungfrau. Plötzlich habe ich so etwas wie eine neue Berufung verspürt. Es war, als spräche eine Stimme zu mir und sagte: Sie ist deine Zukunft!«
»Jakob«, sage ich. »Versuch mal, die Zeit zurückzudrehen. Die großen Mystiker, auch die katholischen, sagen, dass ein Teil von einem selbst immer wach ist. Selbst inmitten rosaroter Betäubung. Dein wacher Teil, Jakob, was hat der gehört? Du hast Tilte als Jungfrau Maria gesehen, aber bitte erinnere dich auch an die Tonspur!«
Sein Blick ist fern, dann klart er auf.
»Sie hat nach dem Reeder gefragt. Nach seinem Namen. Spadillo wollte ihn ihr nicht nennen. Sie insistierte. Ihr wisst ja selber, wie Tilte sein kann.«
Da hat er allerdings recht. Hier im Jaguar sind einige versammelt, die genau wissen, wie Tilte sein kann.
»Sie muss ihren Willen durchgesetzt haben«, sage ich. »Ein einsamer Vatikan-Offizier gegen Tilte, das reicht doch hinten und vorne nicht!«
Er schüttelt den Kopf.
»Jakob«, sage ich,
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