Die Kinder der Elefantenhüter
sie sterben, sondern die großen Rätsel jetzt lösen wollen.«
»So wie Sie!«
Das rutscht mir so heraus, ich weiß nicht warum. Aber mit einem Mal bin ich mir sicher, dass Albert Wiinglad ein Elefantenhüter ist.
Er zuckt zusammen. Ich habe einen Nerv getroffen.
»Was zum Teufel, sagst du da, Bursche? Du musst vollkommen hirnverbrannt sein. Überhaupt nicht. Damit istSchluss. Ich bin klüger geworden. Religion ist eine Hirnstörung.«
Er will weitermachen. Aber ich bin nahe daran gewesen, ihm den Ball abzuluchsen.
»Die Große Synode betrifft den inneren Teil der großen Religionen. Es ist weltgeschichtlich der erste Versuch in diesem Maßstab, ein Gespräch zwischen den richtig Verrückten, den Mystikern, zu eröffnen, ein Gespräch über die Möglichkeit, ob hinter den unterschiedlichen Erfahrungen der großen Religionen eine gemeinsame Grundlage stecken könnte. Eine wahnwitzige Idee. Und Hirnforscher und Psychologen sind mit von der Partie. Wovor die Schweber nun Angst haben, ist, dass die verschiedenen Religionen herausfinden könnten, dass sie sich bei Licht besehen näher sind, als man dachte. Falls das geschieht, würde die Grundlage des Fundamentalismus entfallen. Von einem Menschen, der auf die gleiche Weise hirnverbrannt ist wie man selber, kann man sich eigentlich nicht bedroht fühlen. Diese Erkenntnis hat sie zusammengeführt.«
Er muss Luft schöpfen. Er ist zu seinem Platz und seinem Fresspaket heimgekehrt, er macht es alle, den Teller leckt er nicht ab, aber ich habe den Verdacht, er tut es nur deshalb nicht, weil wir da sind. Aus einem Vorratsfach unterm Schreibtisch holt er einen Schokoladenkuchen hervor.
Er ist groß genug, um einen ganzen Gemeinderat zu beglücken, Albert Wiinglad mustert ihn und schätzt, dass er für uns drei reichen müsste. Er schneidet für Pallas Athene und mich zwei papierdünne Scheiben ab.
»Du bist ja Sportler«, meint er. »Das entnehme ich deinem Dossier. Ich vermute, du achtest auf dein Gewicht.«
»Und was ist mit mir?«, fragt Athene.
Wiinglad ist anzusehen, dass er unter Druck steht. Jetzt ist es glasklar: Die schnellste Art und Weise, ihn Amok laufen zu lassen, wäre, ihm den Kuchen wegzunehmen.
»Du bist gezwungen, dich schlank und attraktiv zu erhalten«, sagte er. »In deinem Gewerbe. Und das hier ist eine Kalorienbombe.«
Er schaufelt den Kuchen in sich hinein. Spült mit einem halben Liter Kaffee aus einer Thermoskanne nach. Wischt sich mit einer Serviette behutsam die Krümel aus dem Bart.
»Und mein Vater und meine Mutter?«, frage ich.
Seine Antwort nimmt mir allen Mut.
»Tja, zwei ehrliche Menschen. Sie haben angerufen und durchgegeben, sie hätten eine Sprengladung gefunden. In der unterirdischen Sicherungskammer, in die die Juwelen im Falle von Feuer, Zerstörung oder Diebstahl sinken. Wir sind mit einem Sprengtrupp ausgerückt. Und haben alles entschärft. Ich habe eure Eltern kennengelernt. Eure Mutter hat ja hervorragende Arbeit für die Sicherheit der Ausstellung geleistet. Anständige Menschen. Aufgeweckt. Höflich. Gesetzestreu. Wie sie solche Kinder kriegen konnten, Herrgott … Aber während der Schwangerschaft kann mit dem Hirn manchmal was schieflaufen. Das hat doch euer Schulleiter in seinem Bericht geschrieben. Etwas mit Wasser im Kopf, oder?«
Vorsichtig versuche ich, den Mund auf- und zuzumachen, das geht gerade noch.
»Sie werden also nicht gesucht?«, frage ich.
»Wer? Deine Eltern? Warum, zum Teufel? Sie haben einen Orden in Aussicht. Und hundert Millionen Belohnung. Weil sie die Schätze gerettet haben. Da müssteeigentlich was übrig bleiben, um einen Babysitter für euch zu besorgen. Vielleicht einen von den Hells Angels. Wohlsein!«
Er leert noch einen Halben des lieblichen Tranks.
»Warum sollten wir ins Heim? Und Hans ins Gefängnis?«
»Darum haben eure Eltern gebeten. Damit sie euch in Sicherheit wissen.«
In der ersten Mannschaft des Finø Boldklubs ist Pfarrers Peter für seine orientalische Unergründlichkeit bekannt. So dass meinem glatten Angesicht nichts anzumerken ist. Innerlich aber findet eine Explosion statt. Denn wenn unsere Eltern uns das blaue Band anlegen und einbuchten ließen, dann nicht zu unserer Sicherheit, denn die war nicht bedroht, außer von ihnen selber. Sondern nur, damit wir ihnen nicht auf die Schliche kämen.
»Und meine Schwester?«, sage ich.
Sein Gesicht wird ernst.
»Wir haben viertausend dänische Beamte auf den Straßen. Plus zivile Verstärkung aus Schweden,
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