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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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»fokussier mal auf die Details. Wie wenn wir einen Spielzug wiederholen. Spadillo sagt nein, Tilte drängt, er sagt wieder nein, und was passiert dann?«
    »Tilte musste aufs Klo. Kam wieder. Das Türschloss hatte sich verklemmt. Wir gingen mit. War ein komischer Zufall. Beide Toilettentüren waren verschlossen. Dabei war keiner drin. Aber wir haben die Türen aufgekriegt.«
    »Du und der Offizier, ihr habt die Türen aufgemacht. Wo war denn Tilte in der Zeit?«
    Er schüttelt den Kopf.
    »Hattet ihr den Rechner angelassen?«, frage ich.
    Er starrt mich an. Er ist in einer heilen dänischen Familie aufgewachsen, das Einzige, was an die große, unheimliche Welt da draußen erinnert, ist ihr Name. Er kann nicht glauben, welcher Verdacht ihn jetzt beschleicht.
    »Aber Tilte würde nie«, stammelt er, »Tilte würde nie …«
    Ich sage nichts. Wenn Jakob Bordurio wüsste, wie weit Tilte für eine gute Sache gehen würde, würde er womöglich schleunigst noch eine Berufung verspüren wollen, die ihn in die Arme der Katholischen Universität und in ein langes und friedevolles Leben im Zölibat zurückführte.
    Pallas Athene war die ganze Zeit still gewesen. Vielleicht musste sie ihr Bedauern darüber verarbeiten, dass sie dem Anwaltsgehilfen nicht die Halsschlagader durchgebissenhatte. Jetzt beugt sie sich zu mir herüber und nimmt mir die Visitenkarte aus der Hand.
    »Es war die Nummer 13«, sagt sie. »Pakhus 13! Eine gefährliche Zahl. Das war einer der Gründe, warum ich nein gesagt habe. Obwohl sie mir das Doppelte geboten haben.«

 
    Ich weiß nicht, ob dir schon mal aufgefallen ist, dass sich alle Religionen ziemlich einig darin sind, wie das Paradies aussieht. Wenn du wie Tilte und ich die Bilderbibeln aufschlägst und aufmerksam Mosaiken und Malereien und die Broschüren von Jehovas Zeugen betrachtest, wirst du wissen, dass das Paradies nach all diesen zuverlässigen Quellen mehr oder weniger wie das Gartencenter Finø aussieht. Eine große Rasenfläche, ein murmelndes Bächlein mit Bepflanzungen rundum, im Hintergrund Bäume und überall fröhliche Menschen, welche den Sinn des Lebens darin erkennen, den Sonntag mit dem innigen Studium ausgestellter Stauden und Gartenzwerge zuzubringen.
    Ohne in irgendeiner Weise den nötigen Respekt über Bord werfen zu wollen, möchte ich doch bemerken, dass Tilte und ich das für einen Irrtum halten. Meine persönliche Meinung ist: Falls es das Paradies wirklich gibt, gleicht es eher dem Kopenhagener Freihafen, durch den wir gerade fahren. Hier liegen Restaurants von der Klasse des Svumpukkels im Finøer Hafen und Geschäfte, die einen derartigen Sog entwickeln, dass man fast vergisst, dass die eigene Schwester gekidnappt wurde und die eigenen Eltern zwölf Jahre Haft erwartet, wenn das, was sie vermutlich ausgeheckt haben, ans Licht kommt. Hier stehen umgebaute Speicher mit Wohnungen, auf die man sich freuen kann, wenn man einst Profikicker ist und die nötige Penunsedafür hat, und gleichzeitig gibt es jede Menge Molen und Kais und Kräne und Container und Lagerhäuser, um zu kaschieren, dass wir hier keinen echten Hafen mehr haben, sondern ein riesiges Schaufenster.
    Unter anderen Umständen wäre die Fahrt durch den Freihafen also himmlisch gewesen, aber heute nicht. Die Sorge um Tilte beherrscht alles, weshalb die Umgebung eher der Kulisse eines Horrorfilms ähnelt, was wiederum etwas darüber aussagt, dass das, was wir wahrnehmen, in erster Linie etwas mit unserem inneren Zustand zu tun hat.
    Wir passieren ein Hafenbecken, Pallas Athene fährt langsam. Rechts von uns zieht sich ein langer Kai, auf dem sich vor einer Reihe von Lagergebäuden idyllisches Bollwerksleben entfaltet. Auf einem Schild steht Pakhus Kaj und Pakhus 1 – 24 . Wir sind da.
    Vor den Speichern liegen Schiffe vertäut, Hausboote, ein Veteranenschiff, ein Schlepper der Hafenbehörde, er ist orange, und wenn ich hier mal eine kleine Kindheitserinnerung einflechten darf, dann las mir mein Vater aus Schlepper Tuggi vor, da heiratete dieser Schlepper so ein orangefarbenes Schiff, das ein paar Leute von der Hafenbehörde hier gerade auf Vordermann bringen, und dann lebten sie ein glückliches Schlepperleben bis ans Ende ihrer Tage und bekamen lauter kleine Schlepperchen, das Buch nervte Tilte ungemein, ich weiß noch, dass sie mehrmals ihr Interesse äußerte, den Autor in Behandlung zu nehmen, das war in der Zeit vor dem Sarg, so dass ich nicht genau sagen kann, welche Art von Behandlung ihr eigentlich

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