Die Kinder der Elefantenhüter
vorschwebte.
Die Pakhuse sind ursprünglich Lagergebäude, weil aber der Freihafen eine feine Gegend ist, sind die Lagergebäudehier hübscher als die meisten Eigenheime. Die Nummer 13 liegt fünfzig Meter weiter unten, gegenüber dem Schlepper der Hafenbehörde, davor parken keine Autos, die Rollläden sind heruntergelassen, alle Türen verschlossen.
Pallas Athene lenkt den Jaguar an den Straßenrand.
Dabei fährt sie über den Radweg.
Ich habe ja schon erzählt, welch starke Gefühle auf Finø geweckt werden, wenn Auto fahrende Touristen sich versehentlich in die Fußgängerzone verirren. Ich erwähne es nur, damit an meiner Sympathie für Radfahrer und Fußgänger kein Zweifel aufkommt. Und mir entgeht nicht, dass der Jaguar einen Radfahrer schneidet, was selbstredend sofort mein Mitgefühl erregt.
Trotzdem wirkt es übertrieben, als jetzt aufs Autodach geschlagen wird, denn da klopft kein Bote mit froher Miene ans Fenster und kündigt den Lenz an, das ist ein Presslufthammer, der den Dritten Weltkrieg ankündigt.
Dann wird der Kopf des Mannes sichtbar, er bleckt bereits die Zähne und holt Luft für den Kampfschrei.
Pallas Athene und er starren sich an. Es ist der Anwaltsgehilfe von vor zehn Minuten.
Ich glaube, ich verstehe den Mann. Er radelt durch den Freihafen. Der Weg ist vielleicht etwas weiter, als wenn er oben auf dem Strandboulevard geblieben wäre. Aber hier hat er Muße, die Begegnung mit Pallas Athene zu verdauen und die Vorfreude auf die Verlobte wieder aufblühen zu lassen, vielleicht hat sie ihm in Aussicht gestellt, ihm ihr neues Tatoo zu zeigen, da ist es wichtig, in Hochform zu sein.
Er ist also ganz in Gedanken, da wird er schon wieder geschnitten, die Wunde reißt wieder auf, und ehe er bemerkt,dass es sich um einen roten Jaguar handelt, ist es zu spät, schon hat er das Autodach wie mit einem Hammer bearbeitet.
Pallas Athene macht die Tür auf.
»Hier liegt also persönliche Verfolgung vor«, sagt sie.
Von meinem Platz aus kann ich ihr Gesicht nicht sehen. Aber an ihrem Tonfall ist klar zu erkennen, dass sie sich auf dem Weg zu ihrer achten Verurteilung befindet und dass die Anklage diesmal mit großer Wahrscheinlichkeit auf Totschlag lauten wird.
Wieder erhalten wir einen Beweis für die verwandelnde Kraft der Liebe und den Einfluss, den die Schöne auf meinen Bruder Hans hat. Denn hier ist nichts mit Sternenguckerei, seine Hände schießen vor, und Pallas Athene geht die Luft aus.
Diesmal kann er sie wirklich kaum halten. Aber er schafft es. Ich steige still und leise aus und gehe um den Wagen herum zu dem Anwaltsgehilfen.
»Haben Sie bemerkt, dass wir Ihnen das Leben gerettet haben?«, frage ich. »Die Dame ist dafür bekannt, Rasierklingen zu kauen und Nähnadeln zu spucken.«
Er nickt, er ist mittlerweile außerstande, etwas zu sagen. Es prägt einen, wenn man einer schlecht gelaunten Pallas Athene zweimal hintereinander über den Weg läuft.
»Wenn ich mir so lange Ihre Blumen ausleihen darf«, sage ich. »Wir wollen jemanden besuchen. Unangemeldet. Und haben noch kein Gastgeschenk.«
Pakhus 13 hat einen flachen Büroflügel neben vier Lagergebäuden, wir sind uns unschlüssig, wo wir anfangen sollen.
Pallas Athene und Aschanti haben wir im Auto gelassen, Frauen und Kinder müssen geschützt werden.
Als wir an dem Büroflügel vorbeigehen, hält vor dessen Eingang ein Fahrzeug, das profan als »Auto« zu bezeichnen ich ein wenig zögere, aber wir haben ja keinen besseren Ausdruck.
Es ist ein großer Maserati, aus dem ein uniformierter Fahrer steigt. Aus dem Büroflügel treten drei Männer, und wenn man sich von seinen Vorurteilen freimachen kann und die Szene mit einer, wie es die spirituellen Systeme nennen, »nicht fokussierten Aufmerksamkeit« betrachtet, dann ist der Anblick echt erhebend.
Beim Anblick des Autos kann man nicht umhin zu denken, wenn die großen Propheten das Modell des Feuerwagens, der sie gen Himmel zu tragen pflegt, hätten aussuchen dürfen, dann wäre ihre Wahl auf dieses gefallen. Und für die Anzüge der vier Männer, ich zähle hier also den Fahrer mit, würde man sich nicht schämen, selbst wenn es der Jüngste Tag wäre und man vor den Herrn treten müsste. Sogar hier im Freihafen erleuchten sie alles um sich herum.
Die beiden hinteren Männer sind zwar kahl und gebaut wie die zweihundert Kilo schweren Zementklötze, die man zur Küstensicherung einsetzt, ihre Kleidung aber lässt sie schweben. Und der Mann, der vorneweg geht,
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