Die Kinder der Elefantenhüter
wenn man damit Tilte und Hans und mich und die vier Weltreligionen froh macht und Nippes im Wert von einer Milliarde Kronen rettet und im Übrigen ein wenig in dem Tohuwabohu aufräumt, das sie und Vater hinterlassen haben.
»Wir besuchen euch im Gefängnis«, sage ich, »Vater kann dem Gefängnisgeistlichen helfen. Und du kannst bei den Gottesdiensten spielen. Im Hochsicherheitsgefängnis auf Læsø haben sie eine neue Orgel bekommen, habe ichgehört. Angeblich wollen mehrere Insassen deshalb gar nicht mehr nach Hause, obwohl sie ihre Strafe schon abgesessen haben.«
Sie schüttelt den Kopf.
»Das ist es nicht«, sagt sie.
Ich wage einen Blick hinter mich. Meine Mutter und ich haben nun die ungeteilte Aufmerksamkeit des Saales. Und das ist keine beliebige Aufmerksamkeit, sie geht weit über jenes Interesse hinaus, das mir zuflog, als ich zur Wahl des Mr. Finø auf die Bühne gelockt wurde. Und ich merke, dass die versammelten Notabilitäten natürlich neugierig auf den Stand der dänischen Spiritualität sind, vorläufig haben sie Conny gesehen, die selbstredend eine Liebkosung für die Netzhaut ist, aber eben doch nur ein Kinderstar von vierzehn Jahren, und dann Rickardt Graf Tre Løver. Und nun Mutter und mich.
»Du musst eine Fernbedienung haben«, sage ich.
»Die liegt im Gummiboot«, sagt meine Mutter.
Mir wird schwindlig.
»Es muss irgendwie über die Spracherkennung funktionieren. So war’s doch immer.«
Heftige, aber stumme Gefühle durchlaufen meine Mutter. Und dann verstehe ich die Misere.
»Es ist ›Solitudevej‹«, sage ich. »Das löst es aus.«
Meine Mutter nickt. Die Verzweiflung steht ihr ins Gesicht geschrieben. Und ich verstehe sie. In ihr steigt das Trauma von damals auf, als Bermuda Svartbag sie mit dem Lied vor den Pfarrkonvent des Amtes Nordjütland gelockt hat.
»Auf dem spirituellen Entwicklungsweg«, sage ich, »kommt keiner von uns um die ganz großen Opfer herum.«
Als ich das sage, merke ich, wie etwas in meiner Mutter zu seiner alten Ordnung zurückkehrt. Und ich merke, dass zwischen ihr und mir in den letzten Tagen so etwas wie eine Umverteilung der Verantwortung stattgefunden hat.
Meine Mutter dreht sich zu der Vitrine um. Dann fängt sie an zu singen.
Sie singt nur die ersten Takte. Da spüre ich unter meinen Füßen ein schwaches Zittern. Vielleicht registrieren es nur meine Eltern und ich und Tilte. Aber ich weiß sicher, dass die unterirdische Kammer mit Henriks Bombe in Bewegung gesetzt wurde und jetzt durch den Tunnel rutscht.
Ich habe eine letzte Sorge. Wie werden die versammelten empfindsamen Seelen von Papst, Dalai Lama, dem 17. Karmapa, dem Großmufti von Lahore und Ihrer Majestät der Königin reagieren, wenn die Bombe in einigen Sekunden hochgeht?
In dem Moment habe ich eine Idee. Es wäre unbescheiden, es als göttliche Inspiration direkt vom Heiligen Geist zu bezeichnen. Aber es ist ein solider und tragfähiger Einfall.
Ich wende mich an den Saal.
»Eure Exzellenzen«, rufe ich, »ich komme von der Insel Finø. Dort begrüßen wir unsere Gäste mit dem berühmten Finø-Salut.«
Hier mache ich eine kurze Unterbrechung, damit die Simultandolmetscher nachkommen.
»Er ist militärischen Ursprungs. Aber mittlerweile bedeutet er: Gottes Friede und guten Abend!«
Dann kommt die Explosion. Zunächst als Blitzschein hinter den Fenstern des Bootshauses, dann wird weißerQualm aus Fenster- und Türöffnungen gepresst. Dann wird das Dach einen Meter senkrecht in die Höhe gehoben, worauf das Holzgebäude wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzt.
Kurze Stille im Saal. Dann brandet Beifall auf.
Ich lehne mich an die Wand, um nicht umzufallen. Im nächsten Augenblick haben mich mehrere Sicherheitsleute umringt, und ich fühle, dass sie die Theorie, ich sei ein Balljunge aus Wimbledon, aufgegeben haben und nun der Auffassung zuneigen, ich sei eine Art religiöser Hooligan, den es in aller Stille zu makulieren gilt.
Aber kaum haben sie mich ergriffen, lassen sie mich auch schon wieder los und treten zur Seite, und dann steht Conny vor mir. Sie spricht zum Saal, aber sie hat ihre Hand auf meinen Arm gelegt.
»Vielen Dank für diesen Gruß aus Finø«, sagt sie. »Und nun möchte ich gern das geplante Lied singen, es handelt von Liebe. Ich stelle mir vor, dass Liebe ein wichtiges, ein entscheidendes Wort für diese Konferenz sein muss.«
Ich hebe den Kopf. Connys Nacken ist weniger als einen halben Meter von mir entfernt.
»In allen Religionen ist Liebe ein
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