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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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Schlüsselwort. Selbst wenn sie schwer zu erreichen ist, selbst wenn man viel durchmachen muss, ist man sich völlig einig darin, dass man schließlich zur Liebe gelangt. Es ist der natürliche Zustand des Lebens.«
    Ich schaue auf, und sie sieht mich an.
    Ich gehe nicht weg, weil ich dazu nicht imstande bin. Ich versickere wie eine stark verdünnte Flüssigkeit. Hinter mir sagt Conny noch etwas, es klingt, als hieße sie Staatschefs und religiöse Führer und die Königin willkommen, aber ich verstehe die Einzelheiten nicht, alles was ich tunkann, ist zu beten, dass mich meine Fußballerbeine bis zur Vorhalle tragen, und mein Gebet wird erhört, denn ich komme an, und dort kollabiere ich in einer Polstergarnitur.

 
    Ein Arzt, wenn einer da gewesen wäre, hätte mir fünf Minuten strikter Ruhe verordnet, damit ich wieder zu mir käme. Aber das muss ich auf später verschieben. Denn in der Polstergarnitur sitzt schon jemand, und langsam sammle ich mich doch so weit, dass ich Thorkild Thorlacius erkenne, seine Frau, die Sekretärin Vera und Anaflabia Borderrud. Zudem hat Anaflabia ihren Sohn, den Schwarzen Henrik, auf dem Schoß. Daneben stehen Lars und Katinka. Alle haben sie blanke und leere Augen, wie Menschen halt, die eben daran erinnert wurden, dass das Ende ihrer Tage jeden Augenblick eintreffen kann.
    Katinka rasselt mit einem Paar Handschellen. Es ist klar, dass sie gekommen sind, um Henrik zu holen.
    Es ist nicht überraschend, dass Anaflabia sich als erste berappelt.
    »Ist in der Strafprozessordnung die Möglichkeit vorgesehen, dass man seine Strafe zu Hause bei seiner Mutter verbüßen darf?«, fragt sie.
    »Vielleicht den letzten Teil der Strafe«, antwortet Katinka. »Wenn die Psychiater es unterstützen.«
    Alle sehen Thorlacius an. Der wirkt nicht begeistert.
    »Der Mann wollte alles in die Luft sprengen«, sagt er. »Der hat doch nicht mehr alle Tassen im Schrank!«
    »Tief drinnen ist er ein gutes Kind«, sagt Anaflabia. »Aber er ist in die Irre gegangen.«
    Sie zieht Henrik an sich, er legt den Kopf an ihre Schulter.
    »Wir müssen noch mal darüber sprechen«, sagt Thorkild Thorlacius. »Sein Betragen im Gefängnis beobachten. Aber ich denke, es wird Möglichkeiten geben.«
    Sein Blick schweift zu mir. Möglich, dass ich noch unter Schock stehe. Aber es kommt mir vor, als strahlte er etwas aus, das man glatt mit Freundlichkeit verwechseln könnte.
    »Deine Rolle in der Sache hier ist mir nicht ganz klar, mein Junge. Aber rein fachlich meine ich Anzeichen dafür gesehen zu haben, dass dir mit der Zeit geholfen und der Weg aus der Kriminalität und dem Missbrauch und zurück in die Gesellschaft gewiesen werden kann.«
    »Vielen Dank«, sage ich.
    »Die Stimmung hier«, fährt Thorlacius fort, »in diesem Gebäude. Es war noch keine Zeit, sie gründlich zu analysieren. Aber sie ist speziell. Will sagen, in diesem Saal sind Begabungen versammelt, die dem hohen Niveau der Assistenzärzte im Neuen Amtskrankenhaus Århus sehr nahe kommen.«
    Ich habe das Gefühl, genug Kräfte gesammelt zu haben, um weitere fünfzig Meter zurücklegen zu können. Als ich mich erhebe, wird die Gesellschaft größer. Alexander Finkeblod kommt angetorkelt und sinkt auf dem Sofa zusammen.
    »Ich fürchte um meinen Verstand«, stammelt er.
    Das ist eine Furcht, die viele für durchaus begründet halten würden. Aber mit mir ist irgendetwas geschehen, vielleicht ist es der Anblick von Connys Nacken so nah vor mir, vielleicht ihre Worte, vielleicht die allgemeine Erleichterung. Jedenfalls empfinde ich für alle eine plötzliche Zärtlichkeit. Um die Tiefe dieses Gefühls anzudeuten,möchte ich sagen, dass ich in diesem Moment vielleicht sogar Kaj Molester am Leben gelassen hätte, wenn er anwesend gewesen wäre. Und dieses Gefühl erstreckt sich auch auf Alexander Finkeblod.
    »Wegen dieses Modders«, Alexander versucht etwas Schlamm abzuwischen, der ihm immer noch in dicken Fladen im Gesicht klebt, »habe ich nur eine eingeschränkte Sicht. Als ich mich also hinsetze, um mich mit einer Serviette etwas zurechtzumachen, stoße ich aus Versehen eine Dame an, die neben mir auf der Bank sitzt. Furchtbares geschieht, sie kippt um. Ich spreche sie an. Sie antwortet nicht. Ich berühre sie. Sie ist tot! Und mir fährt durch den Kopf: Das ist das dritte Mal in vierundzwanzig Stunden! Hat ein Fluch mich getroffen, frage ich mich. Bin ich ein Mensch, bei dessen Anblick die andern schlicht eingehen?«
    »Alexander«, sage ich, »das

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